Der Leitzins hat für Anleger eine wichtige Bedeutung. Schließlich hängen die Kurse von nahezu jeder Assetklasse vom Leitzins ab – egal ob Aktien, Anleihen oder Kryptowährungen. Daher sollten sich Anleger genauer mit seiner Entwicklung befassen.
Doch auch wer kein Geld investieren möchte, ist vom Niveau des Leitzinses betroffen. Dieser hat nämlich eine große Wirkung auf Inflation und Arbeitslosigkeit. Deshalb möchten wir dir im folgenden Artikel die genauen Zusammenhänge zwischen Leitzins, Inflation und Kursen auf den Kapitalmärkten genauer erläutern.
1. Leitzins – das Wichtigste in Kürze
Der Leitzins ist ein Zinssatz, den die Zentralbank regelmäßig festlegt. Eine Zentralbank gibt es wiederum in jedem Gebiet, welches eine eigene Währung aufweist. Demzufolge existiert auch für jede Währung ein eigener Leitzins. Zum Beispiel bestimmt die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins für den Euro und die Fed legt in den USA den Leitzins für den US-Dollar fest.
Am Leitzins orientieren sich viele andere Zinssätze – etwa der Zinssatz für Anleihen, für ein Tagesgeldkonto, fürs Festgeld oder die Bauzinsen. Wie genau der Leitzins auf all die Zinssätze Einfluss nimmt, möchten wir dir im Folgenden erklären. Vorher wollen wir jedoch noch eine Übersicht zu weiteren Aspekten des Leitzinses aufführen, dir wir alle in diesem Artikel erläutern werden.
An dieser Stelle möchten wir noch auf die aktuelle Situation bezüglich der Leitzinsen hinweisen. In den letzten zehn Jahren waren sie in den meisten Industriestaaten nämlich sehr niedrig. Seit 2022 sind die Leitzinsen jedoch stark angestiegen. Folgende Abbildung zeigt dir den Verlauf der Leitzinsen der Eurozone und der USA in den letzten Jahren.
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2. Was ist der Leitzins – Definition
Gemäß seiner Definition ist der Leitzins ein Zinssatz, mit dessen Festlegung eine Zentralbank Geldpolitik betreibt. Dies bedeutet, dass sie mittels des Leitzinses das Preisniveau stabil halten und eine zu hohe Inflation vermeiden möchte. Außerdem beabsichtigt sie, mit den Leitzinsentscheidungen konjunkturelle Krisen abzuwenden.
Diese Definition des Leitzinses ist sehr allgemein gehalten. Eine genauere Definition ist jedoch schwer zu formulieren, weil das Bankensystem in jedem Land verschieden ist. So hängt es vom jeweiligen Bankensystem ab, wie genau der Leitzins dort definiert ist. Deshalb möchten wir im Folgenden den Leitzins anhand der Eurozone erklären.
Eine Zentralbank, auch Notenbank genannt, ist für die Geldversorgung der Bürger zuständig und möchte die Stabilität einer bestimmten Währung erhalten. In der Eurozone ist die EZB die Notenbank, welche Privatpersonen und Unternehmen dort mit dem Euro versorgt. Andere Länder außerhalb der Eurozone haben eine eigene Währung und daher auch eine eigene Zentralbank. Beispiele für solche Länder wären Norwegen oder England.
Allerdings erhalten die Privatpersonen und Unternehmen nicht direkt Geld von der EZB. Schließlich bist auch du vermutlich noch nie zur EZB-Filiale in Frankfurt am Main gegangen und hast dort ein Konto eröffnet. Hierfür sind Geschäftsbanken zuständig. Sie können sich Geld von der EZB leihen und so gelangt der Euro in Umlauf. Außerdem können sie Geld bei der EZB anlegen. Geschäftsbanken sind etwa die Commerzbank oder die Deutsche Bank.
Du kannst wiederum bei der Geschäftsbank einen Kredit aufnehmen oder dort Geld auf ein Girokonto oder ein anderes Konto einzahlen. Demzufolge hast du zwar keinen direkten Kontakt zur EZB. Doch indirekt stammt das Geld auf deinen Konten von ihr und auch deine Bankeinlagen kann die Geschäftsbank bei der EZB anlegen.
Zum Spitzenrefinanzierungssatz leihen sich Geschäftsbanken kurzfristig Geld bei der Notenbank
In der Eurozone gibt es genau betrachtet nicht einen, sondern drei Leitzinsen. Der höchste von ihnen ist der Spitzenrefinanzierungssatz. Zu diesem Zinssatz können sich Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen. Wenn sie das Geld an dich weiterverleihen, verlangen sie meist einen Aufschlag zum Spitzenrefinanzierungssatz. Dadurch können die Geschäftsbanken Gewinn erwirtschaften. Im Fall eines Spitzenrefinanzierungssatzes von beispielsweise 4,5 Prozent haben sie die Möglichkeit, sich bei der EZB zu diesem Zinssatz Geld zu leihen. Dir könnten sie dann etwa einen Kredit gewähren, bei dem du fünf Prozent Zinsen zahlen müsstest.
Allerdings kann in unserem Beispiel auch ein Kredit mit nur 4,4 Prozent Zinsen für die Bank lohnenswert sein. Der Spitzenrefinanzierungssatz zeigt nämlich nur, wie viel Zinsen eine Geschäftsbank bei der kurzfristigen Geldleihe zahlen muss. Er findet vor allem dann Anwendung, wenn die Geschäftsbank schnell Liquidität benötigt und sich über Nacht von der EZB Geld leihen muss.
Zum Hauptrefinanzierungssatz leihen sich Geschäftsbanken zu bestimmten Terminen Geld
Langfristig leihen sich Geschäftsbanken Geld von der EZB zum Hauptrefinanzierungssatz. Dies ist der zweite der drei Leitzinsen. Er weist den zweithöchsten Wert auf und ist in der obigen Abbildung ab dem Jahre 2021 ausgewiesen.
Zur Anwendung kommt der mittlere Leitzins bei den sogenannten Hauptrefinanzierungsgeschäften, welche an festgelegten Terminen stattfinden. Hierbei leiht die EZB den Geschäftsbanken zum Hauptrefinanzierungssatz Geld. In der Regel geschieht dies einmal pro Woche. Der Spitzenrefinanzierungssatz ist hingegen nur relevant, wenn das Geld aus den Hauptrefinanzierungsgeschäften einer Geschäftsbank nicht ausreicht und sie kurzfristig weiteres Geld benötigt.
Hauptrefinanzierungsgeschäfte sind ein fundamentaler Bestandteil der Geldpolitik. Dadurch bringt die EZB Geld in Umlauf. Beim Ablauf der Hauptrefinanzierungsgeschäfte müssen jedoch die Geschäftsbanken bestimmte Sicherheiten bei der Notenbank hinterlegen. Häufig sind dies Anleihen. Erst wenn sie das Geld der EZB zurückgezahlt haben, erhalten sie die Sicherheiten wieder.
Bei dem Vergeben von Krediten orientieren sich die Geschäftsbanken nicht nur am Spitzenrefinanzierungssatz, sondern auch am Hauptrefinanzierungssatz. So könnte etwa bei einem Hauptrefinanzierungssatz von 4,25 Prozent ein Kredit mit 4,4 Prozent Zinsen für eine Geschäftsbank lohnenswert sein. Dann würde sie nämlich Gewinn erwirtschaften, da sie weniger Zinsen bei der EZB zahlen muss, als sie von ihren Kunden bekommt.
In der Praxis liegen die Zinssätze für Kredite jedoch meist deutlich über dem Hauptrefinanzierungs- und dem Spitzenrefinanzierungssatz. Schließlich kann sich die Geschäftsbank nicht sicher sein, ob der Kunde den Kredit wirklich zurückzahlt. Deshalb verlangt sie einen Risikoaufschlag. Dieser wird zum aktuellen Leitzinsniveau hinzugerechnet. Demzufolge sind die Leitzinsen neben der Höhe des Risikoaufschlages ein Faktor für das Niveau der Kreditzinsen.
Zum Einlagesatz legen Geschäftsbanken Geld bei der Notenbank an
Doch wonach richtet sich die Verzinsung deiner Bankeinlagen auf einem Festgeld- oder Tagesgeldkonto? Hierfür ist der dritte und niedrigste Leitzins relevant, der sogenannte Einlagezins. Er gibt an, zu welcher Verzinsung Geschäftsbanken bei der EZB jederzeit Geld anlegen können.
Oft ist in den Medien von dem Leitzins der EZB die Rede. Allerdings werden bei jeder Zinsentscheidung drei Zinssätze berücksichtigt: der Spitzenrefinanzierungssatz, der Hauptrefinanzierungssatz und der Einlagesatz. Weil jedoch klar festgelegt ist, welcher dieser Zinssätze den höchsten und den niedrigsten Wert aufweist, ändern sich meist alle drei Zinssätze um denselben Betrag.
Als Beispiel nehmen wir an, dass der Einlagesatz 3,5 Prozent beträgt. Dann könnten dir Banken eine Verzinsung von 2,5 Prozent für ein Festgeldkonto anbieten und dadurch Gewinn erwirtschaften. Sie erhalten von der EZB nämlich mehr Zinsen, als sie an dich weiterreichen.
Falls der Einlagesatz jedoch nur ein Prozent beträgt, werden Geschäftsbanken dir selten 2,5 Prozent Verzinsung auf dein Festgeldkonto anbieten. Dies ist höchstens bei Sonderangeboten der Fall. Hieran erkennst du die Auswirkungen der Leitzinsen. Sie bestimmen neben der Höhe der Kreditzinsen auch das Niveau der Verzinsung auf deinen Festgeld- und Tagesgeldkonten.
Eventuell fragst du dich, wieso die Zinssätze bei den Geschäftsbanken so verschieden sind, obwohl es nur drei Leitzinsen gibt. Das liegt an den unterschiedlichen Geschäftsmodellen der Banken. Bei Tagesgeldkonten gibt es etwa einige Banken, die nur sehr geringe Zinssätze anbieten. Vermutlich haben diese aufgrund ihres unrentablen Angebotes weniger Kunden.
Dafür erwirtschaften sie jedoch pro Kunde höhere Gewinne. Die Verzinsung ihrer Tagesgeldkonten liegt nämlich deutlich unter dem Einlagesatz, welche die Geschäftsbanken von der EZB erhalten. So bekommen sie weitaus mehr Zinsen, als sie an dich weiterreichen.
Angesichts dessen raten wir dir, unseren Tagesgeldkonten-Vergleich zu nutzen. Hier ermittelst du die Bank mit den besten Konditionen. So vermeidest du, dass dein Tagesgeldkonto eine Rendite bietet, die deutlich unter dem Einlagesatz liegt. Stattdessen kannst du die Angebote einiger Geschäftsbanken finden, welche vor allem für Neukunden eine Verzinsung nahe dem Einlagesatz anbieten.
3. Welche Bedeutung hat der Leitzins der EZB?
Die Auswirkungen der Leitzinsen beschränken sich nicht nur auf Geschäftsbanken, sondern umfassen auch die Kapitalmärkte. Bei einer Erhöhung der Leitzinsen sind wie beschrieben Festgeld- und Tagesgeldkonten lukrativer. Dadurch werden sie mehr nachgefragt. Folglich geht die Nachfrage nach anderen Geldanlagen wie Aktien, Anleihen und weiteren Assetklassen zurück. Durch diese geringere Nachfrage fallen deren Kurse.
Bei Wertpapieren, die sich bereits im Depot befinden, führen Erhöhungen der Leitzinsen zu einem Kursrückgang
Für Sparer hat eine Erhöhung der Leitzinsen daher Vor- und Nachteile. Einerseits gibt es ab dem Termin der Erhöhung mehr Zinsen auf eine vergleichsweise sichere Anlage wie ein Tagesgeldkonto. Dies verspricht höhere Renditen für die Zukunft. Andererseits verlieren die Aktien und Anleihen im Depot durch die Zinserhöhung meistens an Wert. Falls der Anleger genau dann Geld braucht, kann er seine Aktien und Anleihen nur zu geringen Beträgen verkaufen.
Wie es bei Anleihen Definition und Funktionsweise vorgeben, weisen sie eine feste Rendite auf. Falls du die Anleihe bis zur Fälligkeit hältst, bekommst du diese Rendite, solange es keinen Zahlungsausfall gibt. Trotzdem können Leitzinsänderungen Auswirkungen auf Anleihen haben. Dies möchten wir im Folgenden genauer untersuchen.
Bei einer Anleihe, die du bereits gekauft hast, steht deine Rendite seit dem Kauf fest. Eine Leitzinserhöhung ändert an deren Rendite nichts mehr, solange du die Anleihe bis zur Fälligkeit hältst. Wenn du jedoch die Anleihe vor Fälligkeit verkaufen willst, dann steht sie in Konkurrenz zu Tagesgeldkonten. Wenn Tagesgeldkonten mehr Rendite anbieten, sollte auch die Rendite der Anleihe für deren Käufer ansteigen. Ansonsten würden kaum noch Anleger Anleihen erwerben wollen.
Diese höhere Rendite für den Käufer deiner Anleihe ist nur durch einen Abfall des Preises möglich. Die Auszahlungsbeträge, welche der Besitzer der Anleihe erhält, sind nämlich in Form von Kupon und Nennwert festgelegt. Um die Rendite des Käufers zu erhöhen, muss folglich dessen Anfangsinvestition in Form des Kaufpreises fallen. Daher kommt es bei Anleihen zu einem Kursverlust durch die Leitzinserhöhung, bis sie wieder eine im Vergleich zu Tagesgeldkonten lukrative Rendite anbieten.
Für den Besitzer von Anleihen ist der beschriebene Zusammenhang negativ zu bewerten. Seine Wertpapiere verlieren an Wert. Falls du jedoch noch keine Anleihen besitzt, ist eine Zinserhöhung etwas Positives. Du kannst nun Anleihen kaufen, die weniger kosten und dir folglich eine höhere Rendite bieten.
Die Leitzinsen und die Bauzinsen
Bauzinsen stellen die Verzinsung dar, welche ein Kredit für eine Immobilie aufweist. Auch sie steigen bei einer Erhöhung der Leitzinsen und fallen bei einer Senkung. Wenn die Geschäftsbanken für die Geldleihe nämlich mehr Zinsen bei der Notenbank zahlen müssen, geben sie die gestiegenen Zinssätze an die Kunden weiter. Demzufolge weisen Bauzinsen bei hohen Leitzinsen auch große Werte auf.
Das zeigt den Einfluss der Leitzinsen auf die gesamte Wirtschaft. Bei hohen Bauzinsen ist nämlich der Kredit zur Finanzierung eines eigenen Hauses vielen zu teuer. Daher werden weniger Häuser gebaut.
Der Rückgang des Häuserbaus hat langfristig große Folgen für die Konjunktur. So werden nicht nur Bauherren weniger Aufträge erhalten, sondern auch die Hersteller der Einzelteile und Materialien für ein Haus erleiden einen Nachfragerückgang. Die Folge ist eine Rezession mit höherer Arbeitslosigkeit. Diese Auswirkungen des Leitzinses auf die Konjunktur möchten wir im nächsten Kapital genauer erläutern. Außerdem wollen wir die Frage klären, wieso eine Leitzinserhöhung überhaupt stattfindet.
4. Zusammenhang zwischen Leitzins und Inflation
Das Hauptziel der EZB ist die Preisniveaustabilität. Demzufolge will sie eine hohe Inflation verhindern. Schließlich verliert durch eine große Inflation der Euro an Wert und so würde das Vermögen vieler Sparer massiv abwerten.
Deshalb hat die EZB sich das Ziel gesetzt, die Inflation bei circa zwei Prozent zu stabilisieren. Wenn sie jedoch zu hoch wird, muss die EZB reagieren. Das beliebteste Mittel im „Kampf gegen die Inflation“ ist die Erhöhung der Leitzinsen.
Wieso hängen Leitzinsen und Inflation zusammen?
Inflation bedeutet, dass Geld an Wert verliert. Der Wert einer Währung oder eines Assets bemisst sich daran, wie selten es ist. Ebendarum ist etwa Gold sehr wertvoll, weil es so selten ist. Folglich muss die im Umlauf befindliche Geldmenge geringer werden, damit das Geld wieder mehr Wert bekommt. Dann sinkt auch die Inflation.
Doch wie reduziert die EZB die Menge an Geld, welche sich im Umlauf befindet? Sie muss den Bürgern Anreize geben, ihr Geld anzulegen. Das angelegte Geld befindet sich dann nicht mehr im Umlauf und wird nicht mehr für Güter und Dienstleistungen ausgegeben. Durch die geringere Nachfrage sinken die Preise der Güter und Dienstleistungen und die Inflation ist bekämpft.
Da hohe Leitzinsen die Geldmenge senken, existiert hierfür auch der Begriff restriktive Geldpolitik. Das Gegenteil wäre eine expansive Geldpolitik. In diesem Fall senkt die EZB die Leitzinsen und erhöht dadurch die Geldmenge.
Außerdem sollten weniger Privatpersonen und Unternehmen Kredite aufnehmen, damit die Inflation sinkt. Durch Kredite erhöht sich nämlich die Geldmenge, welche sich im Umlauf befindet. Obendrein verwenden die meisten Gläubiger das Geld, das sie durch einen Kredit erhalten haben, um Güter und Dienstleistungen nachzufragen. Diese höhere Nachfrage steigert deren Preise und treibt die Inflation nach oben.
Damit weniger Kredite aufgenommen werden, erhöht die EZB die Leitzinsen. Durch den höheren Zinssatz werden Kredite nämlich weniger profitabel und viele entscheiden sich gegen die Kreditaufnahme. Folglich sinkt die Menge an im Umlauf befindlichem Geld und die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen geht zurück. Aufgrund der geringeren Nachfrage sinken schließlich die Preise und die EZB hat durch die Zinserhöhung die Inflation verringert.
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Die Schattenseite der Leitzinserhöhung
Allerdings hat eine Zinserhöhung seinen Preis. Durch die geringere Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gibt es eine Rezession. Die Unternehmen können weniger verkaufen und erleiden häufiger Verluste. Daraufhin kommt es zu einem Rückgang der Aktienkurse. Des Weiteren verursacht eine Rezession hohe Arbeitslosigkeit und kann im Extremfall sogar zu politischen Unruhen führen.
Aus diesem Grund senkt die Notenbank die Leitzinsen wieder, sobald die Inflation rückläufig ist. Schließlich möchte sie Wirtschaftskrisen vermeiden. Demzufolge sind die Leitzinsen in der Eurozone in den letzten Jahrzehnten immer wieder gestiegen und gefallen, wie folgende Abbildung zeigt.
In diesem Artikel haben wir uns der Einfachheit halber auf die Eurozone beschränkt. Allerdings gelten die Zusammenhänge zwischen Leitzins, Inflation und Konjunktur für jedes Land. Es sind nur die speziellen Eigenschaften eines bestimmten Bankensystems bei der Definition des Leitzinses zu beachten.
In den USA legt zum Beispiel die Fed den Leitzins fest. Sie gibt ihn jedoch als Korridor vor. Zwischen zwei bestimmten Werten soll nämlich der Zinssatz liegen, zu dem sich die Geschäftsbanken untereinander Geld leihen. Daher weisen in der Darstellung des ersten Kapitels die Werte des Leitzinses in den USA ungerade Werte auf. Hier wurde der Mittelwert zwischen oberer und unterer Grenze des Zinssatzkorridors ausgewiesen.
5. So profitierst du von der aktuellen Zinsentwicklung
Sicherlich stellst du dir die Frage, welche Bedeutung die Leitzinsen für dein Investment haben. Zuerst solltest du dir bewusst machen, dass die Leitzinsen bestimmte Phasen durchlaufen. Mal sind sie hoch, mal weisen sie geringe Werte auf.
Hohe Leitzinsen ermöglichen dir hohe Renditen
Eine Geldanlage ist in Phasen hoher Zinsen besonders lukrativ. Nicht nur Festgeld- und Tagesgeldkonten bieten dir dann eine hohe Rendite. Auch Anleihen passen sich wie beschrieben an die Entwicklung der Leitzinsen an.
Allerdings ist es fraglich, wie sich die Leitzinsen weiterentwickeln. Bei weiteren Zinserhöhungen verlieren nämlich deine Aktien und Anleihen an Wert. Daher ist eine Investition vor allem dann sinnvoll, wenn die Zinsen bald fallen werden.
Leitzinsprognose anhand der Zinsstrukturkurve
Eine Prognose zu Leitzinsen ist äußerst schwierig zu treffen. Normalerweise musst du auf die Zinstermine warten, zu denen die Notenbank ihre Entscheidungen bekannt gibt. Allerdings existiert eine Methode, mit der du die Erwartungen anderer Marktteilnehmer bezüglich der Leitzinsen erfahren kannst. Hierfür betrachtest du die Zinsstrukturkurve.
Sie zeigt dir, wie hoch die Zinsen abhängig von der Laufzeit deines Investments sind. Meist bekommst du nämlich für einjährige Anlagen eine andere jährliche Verzinsung als für zehnjährige Anlagen. In Bezug auf die Zinsstrukturkurve möchten wir dir ein kurzes Beispiel erläutern. Wir nehmen an, der Zinssatz betrage ein Prozent pro Jahr – sowohl für einjährige als auch für zehnjährige Anlagen. Dann hättest du zwei Möglichkeiten, dein Geld für zehn Jahre zu investieren.
Möglichkeit 1: Du legst einmal für zehn Jahre an
Du könntest für zehn Jahre dein Geld investieren. Hierbei erhältst du einen Prozent Rendite pro Jahr. Diese Rendite sicherst du dir für einen Zeitraum von zehn Jahren.
Möglichkeit 2: Du legst zehnmal für ein Jahr an
Alternativ kannst du den Betrag auch für ein Jahr anlegen. Nach einem Jahr investierst du ihn erneut für die Dauer von einem weiteren Jahr. Dies tust du insgesamt zehnmal.
Bei Möglichkeit 2 bist du von der Entwicklung des Leitzinses abhängig. Im Falle von Zinserhöhungen ist dieses Verfahren vorteilhaft. Dann erhältst du nämlich jedes Jahr mehr Zinsen. Bei Zinssenkungen wäre Möglichkeit 1 besser. Dabei bist du nämlich von den sinkenden Zinssätzen nicht betroffen.
Die Zinsstrukturkurve hängt von den Erwartungen der Anleger ab
Nun nehmen wir an, dass viele Anleger Zinserhöhungen erwarten. Daher nutzt die Mehrheit die zweite Möglichkeit. Folglich werden zehnjährige Anleihen oder Festgeldkonten mit zehn Jahren Laufzeit kaum noch nachgefragt. Damit die Nachfrage wieder ansteigt, müssen die Anbieter die Verzinsung erhöhen. Folglich steigt der Zinssatz für langfristige Anlagen an.
Wenn jedoch viele von Zinssenkungen ausgehen, dann nutzen sie Möglichkeit 1. Zehnjährige Anleihen oder Festgeldkonten werden daher sehr viel nachgefragt. Aufgrund der zu hohen Nachfrage reduzieren die Anbieter daraufhin die Renditen längerfristiger Anlagen.
Demzufolge spiegelt die Zinsstrukturkurve die Zinserwartungen wider. Wenn langfristige Anlagen deutlich höhere Renditen als kurzfristige bieten, dann erwarten viele Anleger eine Zinserhöhung in der Zukunft. Umgekehrt geht die Mehrheit von einer Zinssenkung aus, falls die Renditen bei langfristigen Anlagen deutlich geringer sind.
Wie geht es mit den Leitzinsen aktuell weiter?
Sicherlich stellst auch du dir die Frage, wie die momentane Zinsentwicklung weitergeht. Gibt es in naher Zukunft Zinssenkungen? Dann könnte aktuell ein guter Zeitpunkt sein, um Geld zu investieren. Daher haben wir dir im Folgenden Pro- und Contra-Argumente zu einer baldigen Zinssenkung in der Eurozone zusammengestellt.
Argumente für eine baldige Zinssenkung in der Eurozone
Der Zinssatz ist seit Ende 2022 erheblich angestiegen. Weitere Zinssteigerungen würden vermutlich das Risiko einer Rezession zu sehr erhöhen. Daher könnte die EZB die Zinsen bald wieder senken.
Viele Länder in der Eurozone sind hoch verschuldet. Wenn Staaten wie Griechenland oder Portugal nun langfristig solch hohe Zinssätze zahlen müssen, könnten sie Haushaltsprobleme bekommen. Außerdem gibt es Banken, welche viele Anleihen in ihrer Bilanz haben. Durch Zinserhöhungen werten all diese Anleihen und somit die gesamte Bilanz stark ab. Um keine Finanzkrise oder Schuldenkrise einzelner Staaten zu riskieren, müsste die EZB die Zinsen bald wieder senken.
In der Geschichte haben sich Hochzinsphasen immer mit Niedrigzinsphasen abgewechselt. Demzufolge sollte auch die aktuelle Periode hoher Zinsen nicht zu lange dauern. Stattdessen könnten bald Zinssenkungen folgen.
Argumente gegen eine baldige Zinssenkung in der Eurozone
Trotz vergangener Zinserhöhungen ist die Inflationsrate immer noch weit vom angestrebten Wert der EZB entfernt. Laut Eurostat lag sie im August 2023 bei 5,2 Prozent. Somit befindet sie sich deutlich über dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent.
Die Fed hat früher mit den Zinserhöhungen begonnen als die EZB. Hier erfolgte die erste Zinserhöhung 2022 schon im März. Demzufolge ist der Leitzins der Fed aktuell höher als der Leitzins der EZB. Dies könnte sich die EZB als Vorbild nehmen und noch weiter die Zinsen erhöhen.
Was sagt die EZB zu Zinssenkungen?
Zwar zeigt die Zinsstrukturkurve, dass viele Anleger mit baldigen Zinssenkungen rechnen. Allerdings widerspricht eine solche Annahme den Aussagen der EZB. Während Reden und Interviews stellen ihre Vertreter häufig klar, dass fallende Leitzinsen aktuell nicht zu erwarten sind.
Die Geldpolitik hat heute nur ein Ziel: eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zu unserem mittelfristigen 2 %-Ziel. Und wir sind entschlossen, dieses Ziel zu erreichen, komme was da wolle.
So betonte unter anderem Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, häufig, dass es in naher Zukunft keine Zinssenkungen geben solle. Unter anderem das oben angeführte Zitat aus einer Rede vom 27. Juni 2023 zeigt, dass die EZB eine Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt. Dieses Ziel scheint die EZB-Präsidentin erreichen zu wollen, frei nach dem Motto „Komme, was da wolle“. Da momentan die Inflationsrate in der Eurozone noch deutlich über zwei Prozent liegt, spricht die Aussage der EZB-Präsidentin gegen eine Zinssenkung in naher Zukunft. Allerdings bleibt unklar, ob die EZB ihren Kurs nicht bald ändern wird.
7. Fazit: Die Leitzinsen sind wichtige Kennzahlen, denen ein Anleger genügend Aufmerksamkeit schenken sollte
Die Auswirkungen der Leitzinsen umfassen nicht bloß Tagesgeld- und Festgeldkonten. Sie haben auch Einfluss auf die Kurse von Aktien, Anleihen und anderen Assetklassen. Ebenso sind sie ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Inflation und Konjunktur.
Deshalb solltest du dich als Anleger regelmäßig über die Leitzinsen informieren. In Phasen hoher Leitzinsen sind Investitionen besonders lukrativ, weil sie hier meist eine höhere Rendite versprechen. Allerdings könnten weitere Zinserhöhungen die Kurse deiner Wertpapiere fallen lassen. Daher ist eine Investition in der Regel dann sinnvoll, wenn die Leitzinsen bald sinken werden.
Problematisch ist jedoch, dass du als Anleger nicht sicher weißt, wann die Leitzinsen fallen werden. In der aktuellen Situation erwarten zum Beispiel viele Anleger baldige Zinssenkungen. Doch Vertreter der EZB betonen, dass sie eine Inflationsrate nahe zwei Prozent erreichen möchten. Hierfür wären wohl weitere Zinserhöhungen notwendig. Demgemäß stellt es eine Spekulation dar, wenn deine Anlageentscheidung von deinen Erwartungen über die zukünftige Leitzinsentwicklung abhängt.