Stagflation – Das Risiko steigender Preise bei stagnierendem Wirtschaftswachstum
Steigende Preise und zeitgleich abnehmendes Wirtschaftswachstum sind für viele Ökonomen eine Warnung, denn bereits in den 1970er Jahren litt Deutschland unter einer Stagflation. Damals kostete die Stagflation zahlreiche Arbeitsplätze und sorgte für rasante Preissteigerungen in der Bundesrepublik.
Doch was genau ist eine Stagflation und welche Gründe gibt es für diese Entwicklung? Wie kann die Bundesregierung gegen eine Stagflation vorgehen und warum wird es am Ende nicht nur Verlierer in dieser Marktphase geben?
In diesem Beitrag möchte ich dir alles rund um das Thema Stagflation erklären und einen Ausblick auf die zukünftige Marktentwicklung geben.
1. Was ist eine Stagflation?
Bei der Stagflation handelt es sich um ein Kombination aus Inflation und Stagnation. Dies beiden wirtschaftlichen Phänomene in Kombination bedeuten, dass die Preise am Markt steigen, die Wirtschaft jedoch auf dem bisherigen Niveau stagniert oder nur langsam wächst.
Oftmals wird auch von einer Stagflation gesprochen, wenn die Wirtschaft weiterhin wächst, dabei jedoch die Arbeitslosigkeit ansteigt und die Preise steigen.
Eine Stagflation ist eine besondere Erscheinung, denn im Regelfall kommt es zu einer Inflation nur in Phasen besonders starken Wachstums. Im Normalfall steigen die Preise, weil mehr Menschen in einem festen Arbeitsverhältnis sind und deshalb der Konsum in der breiten Masse anzieht.
- Behalte den Überblick über deine Finanzen
- Optimiere deine Sparquote
- Finde günstigere Verträge im Alltag
2. Warum ist stagnierendes Wachstum eine Gefahr für die Wirtschaft?
Du stellst nun vielleicht die Frage, warum die Stagflation als solche eine Gefahr für unsere Wirtschaft darstellt. Der Grund hierfür ist das ungünstige Zusammenspiel der stagnierenden Wirtschaft und der zeitgleich steigenden Preise.
Im Zuge einer Inflation erhöhen sich die Preise am Markt durch die gestiegene Nachfrage. Im Normalfall bauen Unternehmen in diesen Phasen ihre Produktion aus und stellen mehr Arbeitnehmer ein, um das Angebot auszubauen. Mit etwas Verzögerung erhöhen sich auch die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer, um den Kaufkraftverlust auszugleichen.
Das ist eine recht normale Entwicklung und als solche erstmal nicht besorgniserregend. Anders sieht das jedoch aus, wenn Unternehmen ihr Angebot nicht ausweiten können. Ein Grund hierfür kann die Ressourcenknappheit sein.
Durch steigende Preise an Märkten erhöhen Unternehmen jedoch Produkt- und Dienstleistungspreise, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren.
Zeitgleich fordern Arbeitnehmer höhere Gehälter, um die persönliche Kaufkraft zu erhalten. Wollen Unternehmen jetzt Einsparungen vornehmen und können die höheren Kosten nicht mehr an den Markt weitergeben, so kommt es zu Entlassungen und die Zahl der Arbeitslosen steigt.
Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Lohn-Preis-Spirale.
Eine Lohn-Preis-Spirale ist toxisch für die gesamte Wirtschaft.
Steigende Lohnkosten führen zu Preissteigerungen auf Unternehmensseite. Ein Ausbruch aus dieser Entwicklung ist nur schwer zu bewerkstelligen.
Das bedeutet, dass die Löhne steigen und die gestiegenen Lohnkosten unmittelbar auf die Preise umgelegt werden. Durch die Ressourcenknappheit, geringe Beschäftigung und rückläufige Nachfrage sinkt die Wirtschaftskraft in einem Land.
Besonders besorgniserregend an dieser Konstellation: ein Entkommen aus diesem Kreislauf gestaltet sich in der Praxis sehr schwierig. Auch für die Notenbanken ist die Stagflation eine Zwickmühle.
Leitzinserhöhungen, welche die Inflation bekämpfen können, schaden der Wirtschaftserholung. Zudem würden Staaten, welche eine hohe Verschuldung haben, zusätzlich von teureren Refinanzierungen unter Druck gesetzt werden.
Bei niedrigen Zinsen besteht jedoch die Gefahr, dass die Preise weiterhin steigen.
3. Was sind die Gründe für eine Stagflation?
Ein gutes Beispiel, um das Entstehen einer Stagflation zu beleuchten, sind die 1970er Jahre. Auch die Entstehung des Begriffs lässt sich auf diese Zeit zurückführen.
Damals entschied sich das Ölförderkartell Opec dazu, die Rohölförderung zu reduzieren. Im Zuge der Angebotsverknappung stiegen die Rohölpreise signifikant an. Allein zwischen 1973 und 1975 kam es zu einer Verdoppelung des Ölpreises. Die Rede ist auch von einem externen Angebotsschock oder im spezifischen Beispiel der Ölförderfirmen ein Ölpreisschock.
Da Öl als Rohstoff eine große Bedeutung in der Wirtschaft einnimmt, kam es auf Seiten der produzierenden Industrie zu Preissteigerungen. Die höheren Betriebskosten wurden auf die Konsumenten umgelegt und die Preise am Markt stiegen. Das Resultat war eine steigende Inflation am Markt.
Durch die gestiegenen Preise sank die Nachfrage bei den Konsumenten. Die Kaufkraft der Marktteilnehmer wurde durch die hohe Inflation entwertet. Für das gleiche Einkommen konnte nur noch weniger konsumiert werden. Die Gewerkschaften wollten im Zuge der höheren Preise auch höhere Einkommen durchsetzen. Zu den gestiegenen Preisen kamen nun also auch steigende Lohnkosten.
Es kam zu einer Lohn-Preis-Spirale. Unternehmen mussten im Zuge der sinkenden Nachfrage und somit sinkender Umsätze bei zeitgleich steigenden Personalkosten Entlassungen durchsetzen. Die Arbeitslosigkeit in den Industriestaaten stieg an.
Insgesamt befanden wir uns in den 70er Jahren in einer Phase mit steigenden Arbeitslosenzahlen, sinkenden Wirtschaftsleistungen und steigenden Preisen. Rückblickend lässt sich festhalten, dass diese Kombination eine Gefahr für die Wirtschaft ist. Damals dauerte die Stagflation rund acht Jahre an.
4. Welche Maßnahmen helfen gegen eine stagnierende Wirtschaft und steigende Preise?
Das Gegensteuern gegen die Stagflation ist hochtheoretisch und bedarf zur Erklärung der erweiterten Phillips-Kurve.
Die Phillips-Kurve verdeutlicht, dass bei steigender Inflation die Arbeitslosigkeit sinkt. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine hohe Inflation auch eine steigende Beschäftigung mit sich bringt. Mehr Menschen haben Arbeit und obwohl der einzelne Marktteilnehmer weniger konsumieren kann, steigt die Nachfrage am Gesamtmarkt.
Natürlich will der einzelne Marktteilnehmer, dass die Preise stabil bleiben und mehr Menschen einen Job finden. Allerdings ist das ein Zielkonflikt. Um diesen Konflikt aufzulösen, bedarf es einer stabilen Inflationserwartung. Für Arbeitnehmer muss feststehen, dass die Preise in Zukunft auf einem konstanten Niveau verbleiben. Nur dann kommt es zu moderaten Gehaltsforderungen.
Betrachten wir an dieser Stelle das Phänomen der Stagflation, dann ist genau dieser Ausgangspunkt nicht gegeben. Arbeitnehmer und Arbeitgeber gehen von steigenden Preisen aus. Arbeitnehmer fordern mehr Einkommen und Arbeitgeber stellen weniger Personal ein, um die Kosten zu senken. Zusätzlich kommt es zu einem Nachfragerückgang.
Ein Lösungsansatz für diesen Zielkonflikt betrifft die Inflationserwartungen. Haben wir am Markt rückläufige oder stabile Inflationserwartungen, können alle Marktteilnehmer ein Ende dieser Marktphase erwarten. Ablesen lassen sich die Inflationserwartungen etwa anhand des Inflations-Indexes. Dieser basiert auf dem medialen Konsens und zeigt, welche Prognosen die führenden Wirtschaftszeitschriften zum Thema Inflation verbreiten.
Vertrauenswürdige Zentralbanken können die Inflation beeinflussen
Doch neben dem medialen Umfeld müssen vor allen Dingen die Zentralbanken agieren. Im Euroraum ist die EZB für die relative Preisstabilität verantwortlich. Signalisiert die EZB mit ihrer Geldpolitik, dass die Preise in Zukunft weniger drastisch steigen, dann kommt es zu einer Abflachung der Inflation am Markt.
Diese sichereren Fahrtwasser können dazu beitragen, dass Unternehmen wieder vermehrt Personal einstellen und die Nachfrage am Markt steigt. Die allgemeine Arbeitslosigkeit würde sinken.
Die Zentralbanken müssen bei der Preisstabilisierung vorsichtig agieren, um einer Überschuldung der Staaten und Unternehmen entgegenzuwirken.
Einige Experten gehen sogar davon aus, dass die Zentralbanken nicht ausreichend Handlungsspielraum besitzen, um einer Stagflation entgegenzuwirken. Vielmehr sollten die Staaten auf eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik setzen.
Konkret heißt das, dass Staaten die Kosten für Unternehmen senken sollten. Auf diese Weise könnte es zu einer Ausweitung des Angebots, sich stabilisierenden Preisen und sinkenden Arbeitslosenzahlen kommen.
Kontraproduktiv wäre dahingegen eine Ausweitung der staatlichen Nachfrage. Eine höhere staatliche Nachfrage würde zu steigenden Preisen führen und somit die Inflation weiter ankurbeln.
5. Steht uns eine Stagflation bevor?
Ob wir uns 2023 auf eine Stagflation zubewegen, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen.
Allerdings steht fest, dass die Energiepreise aufgrund der Ukraine-Krise in einem rasanten Tempo steigen. Die hohen Energiepreise stellen Unternehmen vor eine Herausforderung und das Wirtschaftswachstum könnte aufgrund dieser Entwicklung sinken.
Welche Faktoren sprechen für eine Stagflation?
Es gibt aktuell mehrere Faktoren, die für eine Stagflation sprechen. Hierzu zählen im Allgemeinen die steigenden Preise, Lieferengpässe in der Industrie, die expansive Geldpolitik der EZB, die Corona-Pandemie und die Ukraine Krise.
- Steigende Preise: Im ersten Quartal des Jahres 2022 lag die Inflation bei über 5 Prozent. Die Erwartungen der Bundesbank liegen im Durchschnitt für das Gesamtjahr bei 5 Prozent Inflation. Schuld an der hohen Teuerung sind die Energiekosten, welche insbesondere im Zuge der Ukrainekrise gestiegen sind.
- Lieferengpässe: Zusätzlich gibt es gerade im Halbleitermarkt Lieferengpässe. Fahrzeuge und Elektrogeräte weisen teilweise hohe Lieferzeiten auf. Eine Verknappung von Vorprodukten kann die gesamte Produktion hemmen und somit den wirtschaftlichen Aufschwung verhindern.
- Expansive Geldpolitik: Staaten müssen Ihre Bürger vor zu extremen Preissteigerungen schützen und neue Schulden aufnehmen. Für die EZB heißt dies, dass die Leitzinsen zur Refinanzierung der Staaten niedrig bleiben müssen. Neues Geld bleibt also weiterhin günstig und ein Gegensteuern gegen die Inflation ist nur schwer möglich.
- Corona-Pandemie: Die meisten Corona-Maßnahmen wurden fallen gelassen. Nichtsdestotrotz notieren die Infektionszahlen auf Rekordniveau. Für die Lieferketten wird dies zu einer Belastung und für die Wirtschaft zu einem Risiko beim Aufschwung.
- Ukraine-Krise: Gas, Öl, Weizen, Sonnenblumenöl und Senf – alle diese Produkte beziehen wir zu einem großen Teil aus der Ukraine oder Russland. Der Krieg der beiden Länder verknappt nun die Lieferungen und sorgt für steigende Preise. Hinzu kommt, dass Nahrungsmittelengpässe global möglich sind. Selbst nach dem Kriegsende kann es noch Monate oder Jahre dauern, bis das Vorkrisenniveau erreicht wird.
Diese Gründe sprechen gegen eine stagflationäre Entwicklung
Doch wo es Gründe für eine Stagflation gibt, gibt es auch einige Gründe, die gegen eine entsprechende Entwicklung sprechen.
Wir haben im Folgenden einige der wichtigsten Gründe gegen eine Stagflation herausgesucht:
- Nachfrageboom nach Corona: Einer der wohl wichtigsten Faktoren bei der aktuellen Inflation dürfte die Corona-Pandemie sein. Durch die reduzierte Mehrwertsteuer konnten Händler und Dienstleister vorübergehend die Preise senken. Die anschließende Mehrwertsteuererhöhung sorgte für steigende Preise an den Märkten. Auch das Nachholen von Konsum ist ein Faktor für steigende Preise.
- Niedrige Arbeitslosigkeit: Die Kurzarbeit sorgte in den Corona-Jahren für eine konstante Beschäftigung in Deutschland. Aktuell gibt es keine überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenzahlen, sodass ausreichend Menschen bereit für die steigende Produktivität im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwungs sind.
- Keine Firmenpleiten: Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Unternehmen. Noch zu Beginn der Pandemie erwarteten Experten, dass zahlreiche Unternehmen in die Insolvenz gehen werden. Diese Erwartung wurde nicht erfüllt und die Pandemie hat lediglich unrentable, nicht solide finanzierte Betriebe beseitigt.
Insgesamt zeigt sich die Wirtschaft von ihrer starken Seite, muss jedoch mit den harten Rahmenbedingungen des Gesamtmarktes umgehen.
Eine Stagflation scheint aus diesen Gesichtspunkten eher unwahrscheinlich. Auch die Prognosen der meisten Unternehmen sind noch immer positiver Natur, obwohl die Unsicherheit durch den Ukrainekonflikt die Stimmung etwas trübt.
Was bedeutet eine Stagflation für uns Verbraucher?
Gehen wir davon aus, dass sich eine Stagflation etabliert, müssen wir auch auf die Auswirkungen auf uns Verbraucher eingehen.
Hier gibt es eine Faktoren, die uns in Zukunft begleiten könnten.
- Bankguthaben: Die Inflation reduziert deine Kaufkraft. Hast du 10.000 Euro auf einem Konto liegen, dann wirst du dir im kommenden Jahr weniger Waren mit diesem Guthaben leisten können. Zeitgleich gleichen die niedrigen Guthabenzinsen die Kaufkraftverluste nicht auf. Mit Sichtguthaben auf dem Giro-, Tages- oder Festgeldkonto wirst du keinen Spaß haben.
- Sparbücher: Immer wieder legen Deutsche ihre Ersparnisse auf einem Tagesgeldkonto an. Ehrlicherweise ist das nicht schlau und auch nicht so sicher, wie oftmals angenommen. Durch die Inflation erzielst du einen realen Vermögensverlust.
- Aktien und ETF: Mit Aktien investierst du in Unternehmen und somit in Sachwerte. Im Zuge der steigenden Preise kommt es auch zu einer Inflationierung der Unternehmenswerte. Sollte das Wirtschaftswachstum sinken und Unternehmen die gestiegenen Preise nicht mehr an den Markt weitergeben können, kommt es jedoch auch hier zu Korrekturen.
- Immobilien: Grundsätzlich ist Betongold ein gutes und wertsicherndes Investment. Allerdings wird es im Zuge steigender Arbeitslosigkeit und steigender Preise schwieriger, bonitätsstarke Käufer für Immobilien zu finden. Eine langfristige Stagflation kann auch sinkende Immobilien- und Mietpreise nach sich ziehen.
- Anleihen: Ehrlicherweise sind Anleihen in der aktuellen Marktphase kein attraktives Investment. Durch die hohe Inflation kommt es auch hier zu einer Entwertung deines investierten Kapitals. Die niedrigen Verzinsungen tun ihr übriges.
- Edelmetalle: Edelmetalle wie Gold profitieren in Krisenzeiten. Auch in der Stagflation ist davon auszugehen, dass Anleger in Gold investieren, um einen sicheren Anker im Depot zu haben. Doch auch Edelmetalle unterliegen den üblichen Marktschwankungen, sodass sich ein langfristiger Einstieg in das Asset lohnt.
- Kryptowährungen: Kryptos sind noch eine recht junge Anlageklasse. Wichtig ist, dass Anleger in echte Werte investieren und über einen längeren Zeitraum investiert bleiben. Auch ein gewichteter Einstieg kann sich auszahlen. In unserem Krypto-Börsen-Vergleich zeigen wir, welche Plattformen sich beim Kauf von Kryptowährungen wirklich lohnen.
6. Fazit: Die Stagflation ist ein realistisches Risiko für den Markt
Als Investor und Unternehmer sehe ich die Stagflation als realistisches Risiko für unsere Wirtschaft an. Nichtsdestotrotz würde ich in Phasen steigender Unsicherheit nicht auf Investments verzichten wollen. Langfristig werden Anleger, die vorübergehende Marktschwankungen ausnutzen, profitieren.
Zum aktuellen Zeitpunkt sorgen vor allen Dingen die Energiepreise für hohe Inflationsraten. Allerdings dürfte dies nur eine vorübergehende Entwicklung sein. Der energetische Wandel unserer Gesellschaft dürfte diese Herausforderung in den kommenden Jahren lösen.
Spannend zu beobachten sind vorübergehende Übertreibungen des Marktes bei Ressourcenknappheit. Der Mangel an Öl und Mehl im Jahr 2022 ist nur schwer nachzuvollziehen. Getrieben wird die aktuelle Entwicklung maßgeblich durch die mediale Landschaft. Ich selbst gehe von einer Normalisierung des Marktes in den kommenden Jahren aus.