Zinswende: Was bedeutet sie für Immobilien-Investments?
Niedrige Zinsen befeuerten den Immobilienmarkt in Deutschland in den vergangenen Jahren immer stärker.
Doch nun zeichnet sich eine Wende in der Zinspolitik ab. Die Zinswende, mit anderen Worten steigende Zinsen, wird in den nächsten Monaten die Immobilienbranche prägen.
Doch welche Auswirkungen hat dieser neue Weg der Zentralbanken auf Kleinanleger und private Investoren?
1. Leitzinssatz: Das ist 2022 zu erwarten
Die Fed hat bereits deutlich durchklingen lassen, dass im Jahr 2022 mit Zinserhöhungen zu rechnen ist. Die Leitzinsen bilden die Grundlage für jene Zinsen, die Banken ihren Kunden anbieten können.
Steigen die Leitzinsen, so werden auch Immobilienkredite teurer. Aus heutiger Sicht ist mit Zinserhöhungen im Laufe des Jahres zu rechnen.
Warum ist eine Zinserhöhung nötig?
Doch warum ist es überhaupt nötig geworden die Zinsen anzupassen?
Bislang wurde der Leitzinssatz extrem niedrig gehalten, sodass am Markt äußerst günstiges Kapital einfach verfügbar war. Für viele Unternehmen war das während der Pandemie überlebensnotwendig – egal ob in Deutschland oder den USA, die Situation war hier bislang global sehr ähnlich.
Doch nun sind die Arbeitslosenzahlen deutlich gesunken und die Inflation zieht deutlich an. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil viele Menschen während der Pandemie mehr gespart haben als sonst und nun in der Lage sind, dieses Finanzpolster aufzubrauchen.
Geringe Arbeitslosigkeit, hohe Inflation – das naheliegende Mittel, um gegenzusteuern ist der Leitzinssatz. Wird die Aufnahme von neuem Kapital erschwert bzw. verteuert, ist weniger Kapital am Markt vorhanden, wodurch die Nachfrage zurück geht und die Preise sinken sollen.
Soweit, in aller Kürze, der Grundgedanke, weshalb eine Zinserhöhung der Zentralbank derzeit sinnvoll scheint.
Welche Konsequenzen die Anpassung des Leitzinssatzes nun haben könnte, nehmen wir als nächstes unter die Lupe.
2. Auswirkungen der Zinswende auf Kleinanleger
Um die Folgen einer Zinswende für kleinere Immobilienanleger zu verstehen, muss zuerst die Ausgangssituation betrachtet werden.
Steigende Immobilienpreise, sichere Renditen
Niedrige Zinsen ermöglichten bisher vielen Privatpersonen den Kauf einer eigengenutzten Immobilie oder einer Kapitalanlageimmobilie. Die Ausgangslage war ideal: Banken verlangten nur einen geringen Eigenkapitalanteil und boten Kredite mit langen Laufzeiten und niedrigen Zinsen an.
Die Folge sind steigende Immobilienpreise. Denn gekauft wird längst nicht nur für den Eigenbedarf. Während das Sparbuch in den letzten Jahren so gut wie ausgestorben ist, lässt sich mit Mieteinnahmen noch eine Rendite erzielen, die zumindest die Inflation ausgleicht.
Zusätzlich gilt Wohnraum als sichere Altersvorsorge. Auf Grund dieser Voraussetzungen setzen immer mehr Kleinanleger auf Betongold. Die günstigen Kredite der letzten Jahre trugen dazu bei, die Immobilienpreise immer weiter steigen zu lassen. Doch was passiert, wenn sich diese Vorzeichen nun ändern? Das kommt darauf an, in welcher Situation du dich gerade befindest.
Szenario 1: Investment bereits getätigt, Kredit mit langer Zinsbindung
Du hast bereits eine Wohnung erworben und einen Kredit mit einer hohen Zinsbindung abgeschlossen.
Die Dauer der Zinsbindung liegt oft bei 10 bis 15 Jahren. In diesem Zeitraum betrifft dich die Erhöhung der Leitzinsen nicht. Sobald die Zinsbindung endet, setzen variable Zinsen für den noch offenen Restbetrag ein.
Hier spielt der dann gültige Leitzinssatz eine bedeutende Rolle, denn die variable Verzinsung wird auf Basis des Leitzinssatzes, zuzüglich eines Aufschlages, kalkuliert.
Behalte daher genau im Auge, wann deine Zinsbindung endet. Wer sich absichern möchte, legt bereits Kapital zur Seite oder ein Forward-Darlehen abschließen.
Mit einer Sondertilgung kannst du den offenen Kreditbetrag zum Ende deiner Zinsbindung reduzieren. So sinkt der Kreditanteil, den du hoch verzinsen musst.
Szenario 2: Investment bereits getätigt, Kredit mit variabler Verzinsung
Wenn du bereits einen Kredit für eine Immobilie laufen hast und dieser variabel verzinst wird, ist eine Zinserhöhung unerfreulich.
Nach den letzten Jahren war allerdings absehbar, dass eine Erhöhung eher früher als später kommen wird. Das kannst du nun tun: Prüfe genau, wie hoch die finanzielle Belastung durch deinen Kredit pro Monat ist und vergleiche diesen Wert mit den Nettomieteinnahmen.
So kannst du kalkulieren, wie hoch die Zinsen steigen können, bis es nicht mehr möglich wäre, den Kredit nur mit den Mieteinnahmen zurückzubezahlen.
Im Idealfall ist mehr als genug Spielraum vorhanden, sodass die Zinserhöhung dein Investment nicht grundlegend gefährdet. Bei einer Immobilie, die mit deutlich positivem Cashflow erworben wurde, sollte das immer der Fall sein.
Wenn du hingegen merkst, dass etwas höhere Zinsen bereits kritisch sind (z.B. weil die Immobilie mit sehr wenig Eigenkapital gekauft wurde), solltest du Kapital für eine Sondertilgung zur Seite legen. Falls die Zinsen in den nächsten Jahren deutlich steigen, kannst du so den noch offenen Kreditbetrag reduzieren.
Behalte die Entwicklung der Zinsen genau im Auge und plane, wie du mit einer Erhöhung der Zinsen umgehen kannst.
Szenario 3: Noch kein Immobilien-Investment getätigt – lohnt es sich noch?
Wer jetzt noch nicht in Immobilien investiert hat, sollte sich wegen der steigenden Zinsen nicht abschrecken lassen. Denn es gibt weiterhin gute Gründe, die für ein Immobilien-Investment sprechen.
Durch einen Indexmietvertrag ist es möglich, die Mieteinnahmen gegen eine Entwertung durch die Inflation abzusichern. Die Anforderungen, wie viel Eigenkapital eingebracht werden muss, sind weiterhin gering.
Banken bieten Kredite mit langen Laufzeiten (30 Jahre sind keine Seltenheit) an. Wer sicherheitsorientiert investieren möchte, kann eine möglichst lange Zinsbindung wählen.
Den Zusammenhang, der zwischen Zinsen und Inflation besteht und die Immobilienwelt beeinflusst, sehen wir uns als nächstes genauer an.
3. Zinsen und Inflation: Droht eine Immobilienblase?
Die drohende Zinswende soll die Inflation auf das gewünschte Ziel von ca. 2 Prozent pro Jahr einbremsen. Vermieter haben die Möglichkeit, einen Indexmietvertrag abzuschließen.
Dann wird die Nettomiete gemäß der Inflation angepasst. Allerdings muss beachtet werden, dass in diesem Fall keine zusätzliche Erhöhung zur Vergleichsmiete möglich ist.
Steigen die Mieten also noch schneller als die Inflation, so wäre die Vergleichsmiete die bessere Wahl. Trotzdem ist ein Indexmietvertrag attraktiv: Mieter haben die Sicherheit, dass die Miete „nur“ im Ausmaß der Inflation angepasst wird. Vermieter wissen, dass sie gegen die Inflation abgesichert sind.
In den letzten Jahren stiegen die Immobilienpreise in vielen Städten Deutschland deutlich stärker als die Inflationsrate. Deshalb werden regelmäßig Stimmen laut, die vor einer Immobilienblase in Deutschland warnen. Wie real ist die Gefahr einer Blase am Immobilienmarkt in Deutschland wirklich? Dazu gibt es ganz unterschiedliche Ansichten.
Warnung vor einer Immobilienblase
In den Warnungen vor einer Immobilienblase wird vor allem darauf verwiesen, dass die Preise viel stärker gestiegen sind als die Einkommen.
Es entsteht also eine Entkoppelung der Immobilienpreise von der sonstigen volkswirtschaftlichen Entwicklung (sonstige Inflationsrate, Entwicklung der Einkommen, etc.).
Zusätzlich gibt es große regionale Preisunterschiede – denken wir etwa an die Preise in München. Die Standortwahl spielt bei der Preisentwicklung eine tragende Rolle. Allerdings lässt sich festhalten, dass die Preisentwicklungen insgesamt signifikant waren. Doch wenn eine Blase vorhanden sein sollte, wann würde sie platzen?
In der Theorie ist der Ablauf einer platzenden Immobilienblase folgendermaßen:
Die Voraussetzung wäre, dass die gewünschten Preise nicht mehr bezahlt werden. Steigende Kosten für Kredite, z.B. wegen der Zinserhöhungen, machen manche Finanzierungen nicht länger leistbar.
Deshalb müssen viele Menschen ihre Objekte veräußern, um den ausständigen Kredit bezahlen zu können. Es kommen viele Immobilien auf den Markt. Gleichzeitig gibt es weniger Käufer, da die Immobilienkredite teurer geworden sind.
Die Preise würden dementsprechend einbrechen, da es viel Angebot und wenig Nachfrage gibt. Zusätzlich befeuert werden könnte eine solche Spirale, wenn gleichzeitig auch noch viele Neubauwohnungen auf den Markt kommen.
Immobilienblase in Deutschland in Sicht?
Wie realistisch ist ein solches Szenario im Jahr 2022 in Deutschland? Eine zuverlässige Prognose ist schwierig, aber ein großer Crash ist wohl nicht zu erwarten.
Denn viele Finanzierungen wurden mit langfristigen Zinsbindungen abgeschlossen. Steigende Zinsen betreffen also viele Eigentümer nicht unmittelbar. Außerdem sind die Mieten ebenfalls deutlich gestiegen. Das heißt, es gibt einen gewissen Spielraum, mit der nun höheren Nettomiete auch teurere Kreditkosten bezahlen zu können.
Ein Einbruch der Nachfrage ist ebenfalls nicht zu erwarten. Denn auch bei steigenden Zinsen sind Kredite, zumindest im Vergleich zu vor einigen Jahren, weiterhin günstig zu bekommen. Für Investoren fehlen außerdem Alternativen, um Kapital inflationsgeschützt, mit guter Rendite, anlegen zu können.
Ob der Anstieg der Immobilienpreise in Deutschland weiterhin so rasant fortgesetzt wird, darf bezweifelt werden. Eine drastische Immobilienblase, die 2022 platzen könnte, ist meiner Meinung nach, jedoch auch nicht in Sicht.
4. Auswirkungen für Unternehmen der Immobilienbranche
Wie heftig die Auswirkungen sein können, wenn fällige Zinsen nicht mehr beglichen werden können, zeigt derzeit ein Extrembeispiel aus Asien.
Der zweitgrößte Immobilienkonzern Chinas ist in eine drastische Schieflage geraten. Über 250 Milliarden Euro Schulden stehen zu Buche. Viele davon in Form von Anleihen. Ausländische Investoren haben ca. 20 Milliarden beigesteuert.
Als die fälligen Zinsen nicht mehr bezahlt werden konnten, sorgte das für ein mittleres Erdbeben an der Börse und für weltweite Verunsicherung.
Nach monatelanger Unklarheit, wie es mit Evergrande weitergehen soll, zeichnet sich jetzt ein erster Lösungsansatz ab. Der Staat wird dem Unternehmen wohl finanziell unter die Arme greifen.
Zusätzlich soll ein Restrukturierungsplan entwickelt werden, um das Unternehmen in eine bessere Zukunft zu führen. Ob China bereit sein wird, Evergrande finanziell zu stützen, war lange unklar. Zuletzt hatte die chinesische Führung verschiedene heimische Konzerne wiederholt unter Druck gesetzt – etwa Alibaba.
Wenn es nun wirklich staatliche Hilfen für Evergrande geben sollte, kann das die Rettung des Unternehmens sein und womöglich auch den Aktienkurs wieder etwas stabilisieren.
Absicherungsmöglichkeiten für Unternehmen der Immobilienbranche
Offensichtlich ist, dass ein hoher Fremdkapitalanteil nur so lange gut geht, wie auch laufend Immobilienprojekte fertiggestellt und lukrativ veräußert werden können. Das gilt für chinesische Bauträger genau so wie hierzulande. Unternehmen müssen deshalb frühzeitig auf Änderungen der Leitzinsen reagieren.
Etwa, indem langfristige Vereinbarungen mit Banken über Kreditkonditionen geschlossen werden. Den Eigenkapitalanteil zu erhöhen, sorgt zusätzlich für Sicherheit.
Einerseits bei den finanzierenden Banken, andererseits auch für den Fall, dass die Vermarktungsdauer von Objekten steigt oder die Immobilienpreise nicht noch weiter durch die Decke gehen.
5. Fazit: Zinswende, Inflation und Immobilienblase
Wie gefährlich ist die Situation am Immobilienmarkt in Deutschland wirklich? Steigende Zinsen und Immobilienpreise, bei denen nur wenige daran glauben, dass sie weiterhin so schnell wie bisher steigen können. Dazu eine hohe Inflationsrate, die generell für etwas Verunsicherung sorgt. All diese Faktoren lassen Anleger rätseln, wie sich der Immobilienmarkt weiter entwickeln wird.
Wichtig ist zu bedenken, dass ein Immobilien-Investment sehr langfristig betrachtet werden muss. Wer eine Wohnung zur dauerhaften Vermietung kaufen möchte, kann das weiterhin guten Gewissens tun. Auch aktuell werden Immobilienkredite, mit langen Laufzeiten und niedrigen Zinsen, einfach zu bekommen sein.
Für stetige, inflationsgeschützte Mieteinnahmen ist eine rasante Wertentwicklung es Objektes nicht nötig. Einfach vermietbare Wohnungen in guten Lagen werden deshalb wohl weiterhin eine beliebte Form der Vorsorge bleiben.
Es besteht kein Grund zur Panik, sondern das Erfordernis, bedacht und vernünftig zu handeln. Phantasiepreise zu zahlen oder auf schnelles Geld zu hoffen, ist fehl am Platz. Eine zeitlose Wohnung im städtischen Gebiet zu erwerben, um langfristig eine gute, stabile Rendite zu erzielen, ist weiterhin ein guter Weg.
Mit einer vernünftigen Eigenkapitalquote und einer langfristigen Zinsbindung lässt sich ein solches Investment durchaus als „sicher“ bezeichnen.
Daher ist zu erwarten, dass auch aktuell – der Entwicklung der Zinsen zum Trotz – Immobilien eine beliebte Anlageform bleiben werden, die in keinem breit gestreuten Portfolio fehlen sollte.