Seit Februar 2022 entfachte die stark gestiegene Inflation bei einem breiten Anteil der deutschen Bevölkerung das lange nicht mehr vorhandene Bewusstsein für das Phänomen der Kaufkraftentwertung. Bei manchen Menschen kursiert gar die Angst vor einer Hyperinflation. In diesem Beitrag klären wir hierzu auf und beantworten unter anderem folgende Fragen:
- Ab wann spricht man von einer Hyperinflation?
- Was ist der Unterschied zwischen Inflation und Hyperinflation?
- Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer Hyperinflation?
- Welche Geldanlagen sind in Zeiten von hohen Inflationsraten interessant?
Was ist Hyperinflation? – Definition
Der tägliche Einkauf im Supermarkt, der Stromabschlag, die Handwerkerrechnung: Nicht nur in Deutschland verteuerten sich ab 2022 die meisten Waren und Dienstleistungen stark. Löhne und Gehälter stiegen zwar auch, aber mit 5,7 Prozent nicht so stark wie die Preise.
Klettern die Preise in allen Bereichen spürbar nach oben, verliert das Geld an Wert, weil du mit der gleichen Summe weniger kaufen kannst. Dieses Phänomen bezeichnen Ökonomen als Inflation, hergeleitet aus dem Latein Inflatio, was Aufblähung bedeutet. Das Gegenteil, wenn die Geldmenge im Umlauf sinkt und die Preise sinken, ist die Deflation.
Kommt es zusätzlich zur Inflation zu einem wirtschaftlichen Stillstand, weil die Verbraucher wegen der hohen Preise weniger kaufen, spricht man von einer Stagflation, also einer Mischung aus stagnierender Wirtschaft und Inflation.
Nicht immer ist Inflation schädlich. Im Gegenteil ist eine geringe Inflation gewollt und notwendig, damit die Wirtschaft wächst, die Anleger ausreichende Zinsen bekommen und weiter investieren. So strebt die Europäische Zentralbank mittelfristig eine Inflation von 2 Prozent an, um Preise und Wirtschaftswachstum stabil zu halten.
Übersteigt die Inflation jedoch 4 bis 5 Prozent pro Jahr, spricht man von einer hohen Inflation, ab 10 Prozent von galoppierender Inflation. Gerät die Preissteigerungen außer Kontrolle, sind Teuerungsraten von 50 Prozent pro Monat beziehungsweise über 10.000 Prozent pro Jahr möglich. In einem solchen Fall ist von einer Hyperinflation die Rede.
Wie entsteht eine Hyperinflation? – Ursachen und Beispiele
Eine Hyperinflation kommt nie aus heiterem Himmel. Einer solchen Preisexplosion gehen immer eine schwere Wirtschaftskrise sowie ein unkontrolliertes Gelddrucken voraus.
Letzteres geschieht, wenn ein Staat keine finanziellen Mittel mehr hat, um seine Ausgaben zu decken, und auch keine neuen Kredite aufnehmen kann, weil er schon zu hohe Schulden hat.
Indem er die Geldmenge stark erweitert, schafft er es zunächst, Löhne, Renten und Sozialleistungen zu zahlen. Da die Menge der Waren und Dienstleistungen aber nicht so stark wie die Geldmenge wachsen kann, kommt es zu einer Knappheit. Die Händler haben keine andere Möglichkeit, als die Preise zu erhöhen.
In einem solchen Fall wäre es die Aufgabe der Zentralbank, die Inflation zu stoppen, indem sie die Zinsen anhebt. Damit werden Kredite für Unternehmen teurer und die Geldmenge im Umlauf nimmt ab. Druckt der Staat stattdessen immer mehr Geld, verschlimmert er die Lage:
- Die realen Steuereinnahmen sinken, weil auch der Staat mehr für Waren und Dienstleistungen bezahlen muss.
- Der Preisanstieg wird beschleunigt, weil immer mehr Geld sich im Wirtschaftskreislauf befindet. Im schlimmsten Fall kostet ein Produkt schon am nächsten Tag mehr als am Tag zuvor.
- Bürger, die Löhne, Sozialleistungen oder Renten beziehen, können ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr decken. Auch beispielsweise Vermieter geraten in Schwierigkeiten, wenn die Miete nicht an die Inflation gekoppelt ist.
- Unternehmen können keine Preiskalkulationen mehr durchführen, weil die Material- und Personalkosten schon kurze Zeit später gestiegen sind. Kaum jemand investiert mehr.
- Die Bürger und die ausländischen Investoren verlieren das Vertrauen in die offizielle Währung und nutzen parallele Fremdwährungen. Es kommt zu einer starken Rezession, weil Unternehmen auswandern oder schließen.
Hyperinflation in der Weimarer Republik
Die Hyperinflation ist ein Ausnahmezustand, der allerdings schon mehrere Male in der Geschichte aufgetreten ist. Das bekannteste Beispiel ist die Hyperinflation in der Weimarer Republik zwischen 1922 und 1923. Damals hatte der deutsche Staat viele Schulden aufgenommen, um den Ersten Weltkrieg zu finanzieren.
Dies geschah mit der festen Überzeugung, den Krieg zu gewinnen und dann alles zurückzahlen zu können. Nach der Niederlage musste Deutschland stattdessen hohe Reparationszahlungen leisten und viele arbeitsunfähige Kriegsrückkehrer versorgen.
Da die Wirtschaft wegen des vorausgegangenen Krieges noch am Boden lag, reichten die Steuereinnahmen bei Weitem nicht aus, um die Ausgaben zu decken. Als im Januar 1923 französische Truppen das industriestarke Ruhrgebiet besetzten, weil Reparaturzahlungen ausgeblieben waren, verschlimmerte sich die Lage rasch. Die politische Führung sah keine andere Lösung, als die Notenpresse weiter auf Hochtouren arbeiten zu lassen.
Im August 1923, auf dem Höhepunkt der Hyperinflation, kostete ein Pfund Brot 100.000 Mark. Aus der Zeit stammen die Bilder der Menschen, die ihren Lohn, der schon eine Woche später wertlos war, mit Schubkarren zum Lebensmittelladen bringen. Wer Ersparnisse hatte, verlor alles.
Das Ende der Hyperinflation kam aber letztendlich nur am 15. November 1923, als eine Währungsreform beschlossen wurde. Die Alliierten, die ihren Fehler verstanden hatten, halfen mit Anleihen dabei, die neue Reichsmark zu stabilisieren.
In den kommenden Jahren erlebten die Deutschen einen Wirtschaftsboom, der unter dem Begriff goldene Zwanziger in die Geschichte einging. Allerdings hatte die Hyperinflation viele Menschen um ihr Vermögen gebracht. Der Gewinner war der Staat, der seine Schulden binnen weniger Jahre von 154 Milliarden Mark auf 15,4 Pfennige schmelzen sah.
Hyperinflation in der Gegenwart
Auch in der jüngsten Geschichte gab es immer wieder Staaten, die eine Hyperinflation erlebten:
- Hohe Staatsschulden und politische Fehler führten in Argentinien in den Jahren 1989/90, 2001/2002 und zuletzt 2022 zu einer Hyperinflation, die zu einer massiven Verarmung der Bevölkerung und sozialen Unruhen führte. 1989 betrug die jährliche Inflationsrate 3079,5 Prozent. 2002 war das Land offiziell zahlungsunfähig, was eine Streichung der Auslandskredite und einen langjährigen Niedergang zur Folge hatte. 2019 folgte ein erneuter Staatsbankrott.
- Die Verstaatlichung der wichtigen Ölindustrie sowie die Korruption und die Kapitalflucht ins Ausland bedingten in Venezuela ab 2013 einen starken Wirtschaftseinbruch mit einer resultierenden Hyperinflation. Die offizielle Währung, der Bolivar, wurde de facto wertlos, als die Teuerungsrate 2018 374 Prozent pro Jahr erreichte. Inzwischen hat sich die Situation leicht gebessert. Die Inflation bleibt dennoch hoch.
- Auch Simbabwe leidet seit den 1990er ständig unter einer hohen Inflation, da Korruption sowie ineffiziente Reformen unter anderem die inländische Lebensmittelproduktion drosselten. Als Antwort druckte die Regierung mehr und mehr Geld und verursachte eine Hyperinflation, die 2008 79.600.000.000 Prozent und 2020 557 Prozent betrug.
- Die Türkei erlebt seit 2022 eine galoppierende Inflation, die beispielsweise im Dezember 2022 auf 64,3 Prozent pro Jahr stieg. Die Hauptursachen sind eine wirtschaftliche Depression sowie der allgemeine, weltweite Anstieg der Energiepreise. Die Weigerung der Notenbank, die Zinsen anzuheben, verschlimmert nach Einschätzung vieler Ökonomen die Lage zusätzlich.
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Was sind die Folgen einer Hyperinflation?
Die erste Folge einer Hyperinflation ist, dass die Preise für die Güter des täglichen Bedarfs explodieren. Das trifft diejenigen besonders hart, die ohnehin keine oder wenige Rücklagen haben und schließlich, wenn die Situation lange anhält, die Mitte der Gesellschaft. Nicht selten kommt es zu Massenprotesten und Unruhen. Welche Konsequenz eine Hyperinflation darüber hinaus hat, erklären wir in den folgenden Abschnitten.
Auswirkungen der Hyperinflation auf den Staat
Ist der Staat hoch verschuldet, erweist sich eine Hyperinflation auf den ersten Blick als vorteilhaft, da seine Schulden schmelzen. Jedoch hängt es davon ab, in welcher Währung die Kredite aufgenommen werden.
Sind sie beispielsweise in Dollar, und wertet die eigene Währung zum Dollar stark ab, kann der Staat seine Schulden noch weniger bedienen. Ist er irgendwann zahlungsfähig, folgen eine Währungsreform oder ein Schuldenschnitt.
Damit vernichtet er die Schulden, auf der anderen Seite verlieren Kreditgeber das Vertrauen in das Land, das nur noch schwer neue Kredite erhält. Oft bleibt der Regierung keine andere Wahl, als Renten, öffentliche Ausgaben und Sozialleistungen drastisch zu kürzen.
Auswirkungen der Hyperinflation auf die Sparer
Ein Sparer, der die Ersparnisse auf dem Spar- oder Girokonto oder als Bargeld im Safe hält, vernichtet bei einer Hyperinflation sein Vermögen. Immobilien, Aktien oder Edelmetalle gewinnen dagegen zunächst an Wert. Das ist der Grund, warum bei einer explodierenden Inflation eine Kapitalflucht in Sachwerte stattfindet.
Auswirkungen der Hyperinflation auf Schuldner
Wer sich privat oder als Unternehmen verschuldet, profitiert von einer Hyperinflation, da das Geld sich entwertet und die Schulden real sinken. So erhielten diejenigen, die vor der Hyperinflation in Deutschland 1920-23 einen Hauskredit vereinbart hatten, am Ende ihre Immobilie fast umsonst.
Dennoch bleibt eine Hyperinflation für inländische Unternehmen auf Dauer ungünstig, da ausländische Kapitalgeber flüchten und keine Investitionen mehr tätigen. Auch sinken die Profite, weil die Menschen sich die Produkte nicht leisten können.
Auswirkungen der Hyperinflation auf Anleger
Wer in Aktien oder ETFs investiert hat, kann sein Vermögen auch bei einer Hyperinflation retten und sogar vermehren. Voraussetzung ist, dass die Aktienkurse nicht abstürzen. Handelt es sich um ausländische Unternehmen, ist das ohnehin nicht der Fall.
Aber auch im Inland brechen nicht bei allen Unternehmen die Umsätze ein. So profitierten einige AGs in Deutschland von der Hyperinflation in der Weimarer Republik, weil sie ihre Investitionsschulden rasch abbauen konnten. Zudem, langfristig gesehen, erholen sich auch nach einem Börsencrash viele Aktien in den nächsten Konjunkturphasen.
Welche Maßnahmen wirken gegen Hyperinflation?
Bei einer Inflation ist es die Aufgabe der Notenbanken, für eine Reduzierung der Geldmenge zu sorgen. Dafür hebt die Zentralbank die Zinsen an und erschwert Kredite, sodass das Verhältnis zwischen Waren/Dienstleistungen und Geldmenge sich stabilisiert.
Handelt es sich aber bereits um eine Hyperinflation, ist es für einen solchen Schritt schon zu spät, da das Vertrauen in die Währung unwiederbringlich verloren und die Wirtschaft meist kollabiert ist.
Der einzige Weg aus der Krise ist ein radikaler Schuldenschnitt, oft zusammen mit einer Währungsreform. Damit gehen alle, die dem Staat oder den Banken Geld geliehen haben, leer aus. Auf der anderen Seite ist ein Neuanfang möglich, wenn auch schwierig, da zunächst das Vertrauen in die neue Währung gering ist.
Diesen Weg musste nicht nur Deutschland 1923 gehen. Argentinien vereinbarte beispielsweise 2020 mit seinen Gläubigern einen Schuldenerlass von 45 Prozent. Simbabwe strich im Jahr 2008 10 Nullen von der Landeswährung, da der Preis für ein einziges Brot zu dem Zeitpunkt einige Milliarden simbabwische Dollar betrug.
Anleger versuchen bei einer Hyperinflation, ihr Vermögen zu retten, indem sie Bargeld in Sachwerte umwandeln. Anders als eine Währung verlieren Edelmetalle, Immobilien und Grundstücke nicht an Wert.
Auch Aktien wirken bei soliden Unternehmen langfristig als Vermögensschutz. Kurzfristig kann jedoch der Aktienkurs durchaus einbrechen. Das ist der Fall, wenn hohe Produktionskosten die Unternehmen belasten und der Umsatz einbricht, weil die Konjunktur sich in einer Deflationsphase befindet. Schaust du aber beispielsweise auf die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, siehst du, warum Aktien sich trotzdem lohnen.
Nach der Währungsreform 1948 betrug der Kurs für Sparer 100 Reichsmark zu 6,5 DM, was einem Verlust von 93,5 Prozent entspricht. Als die Börse wiedereröffnete, fielen die Aktienkurse der größten Unternehmen im Schnitt auch um 82 Prozent, nahmen aber bereits im folgenden Jahr wieder inflationsbereinigt um 169 Prozent zu. Wer also vor dem Krieg in Aktien investiert hatte, fuhr im Gegensatz zu normalen Sparern satte Gewinne ein.
Fazit zum Phänomen der Hyperinflation
Von Hyperinflation sprechen Ökonomen, wenn die Teuerungsrate 50 Prozent pro Monat übersteigt. Explodierende Preise führen dazu, dass Sparer ihr Vermögen in Sachwerte oder ausländische Währung anlegen wollen, was die Lage noch verschlimmert.
Eine Hyperinflation ist zum Glück selten. Dennoch erlebten in den letzten zwanzig Jahren Länder wie Simbabwe, Argentinien und Venezuela solche Zustände. Auch Deutschland war 1923 von einer Hyperinflation betroffen.
Derzeit solltest du dich nicht vor einer Hyperinflation fürchten. Ab 2022 gab es in fast allen Ländern weltweit eine hohe Inflation von 10 Prozent und darüber, weil die Energiepreise sich schlagartig verteuerten und die Lieferketten wegen der Nachwirkungen der Corona-Pandemie noch gestört waren.
Da die Europäische Zentralbank und die amerikanische FED angemessen mit Zinserhöhungen reagiert haben und die Regierungen die Wirtschaft stützen, ist die Gefahr, dass es zu einer Hyperinflation kommt, momentan sehr gering.
Es ist zwar möglich, dass weltweit eine Inflation zwischen 5 und 10 Prozent pro Jahr noch einige Jahre anhält. Bargeld im Kamin verfeuern, wie während der Hyperinflation in der Weimarer Republik, werden wir aber höchstwahrscheinlich nicht.