Bilanz richtig lesen und verstehen: Definition, Aufbau und Beispiel
Die Bilanz ist einer der wichtigsten Bestandteile des Jahresabschlusses von Unternehmen. Auf Basis der Bilanz kannst du verschiedene Kennzahlen zur Aktienbewertung ermitteln, und findest so heraus, ob es sich lohnt in eine Aktie zu investieren oder nicht.
In unserem Artikel erläutern wir dir zunächst, was eine Bilanz ist, wer zur Bilanzierung verpflichtet ist und welche Arten von Bilanzen es gibt. Außerdem erfährst du, wie du eine Bilanz richtig lesen kannst. Wir zeigen dir anhand eines Beispiels, wie eine Bilanz aufgebaut ist und wie du auf Basis der Bilanz Aktienkennzahlen berechnen kannst.
1. Was ist eine Bilanz? – Definition
Die Bilanz gibt dir einen Überblick über das Vermögen und das Kapital eines Unternehmens. Der Begriff „Bilanz“ stammt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie „Balkenwaage“. Mit diesem Ausdruck soll deutlich werden, dass die beiden Seiten einer Bilanz (Aktiva-Seite und Passiva-Seite) stets ausgeglichen sein müssen.
Mithilfe der Bilanz erfährst du, wie das Unternehmen finanziert ist (Geldmittelherkunft) und siehst, wie das Kapital im Unternehmen eingesetzt ist (Geldmittelverwendung).
Die Dokumentationsfunktion besagt, dass durch die Aufstellung des Vermögens und des Kapitals ein Nachweis über die vom Unternehmen getätigten Geschäfte erbracht wird.
Die Gewinnermittlungsfunktion ermöglicht über den Vergleich des Eigenkapitals vom Beginn und vom Ende des Geschäftsjahres die Höhe des Gewinns zu bestimmen.
Und die Informationsfunktion dient vor allem der Bereitstellung der Informationen an Dritte. Würde die Bilanz eines Unternehmens nicht veröffentlicht werden, wärst du schließlich auch nicht in der Lage eine Bilanzanalyse durchzuführen.
Eine Bilanz wird zum einen erstellt, damit das Unternehmen selbst einen besseren Überblick über sein Vermögen und Kapital bekommt, zum anderen, weil es gesetzlich dazu verpflichtet ist.
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Wer ist zur Bilanzierung verpflichtet?
Ob ein Unternehmen oder ein Kaufmann bilanzierungspflichtig ist, hängt zum einen von der Rechtsform und zum anderen von der Größe des Unternehmens ab.
Freiberufler wie bspw. Ärzte oder Steuerberater unterliegen keiner Bilanzierungspflicht (§242 Abs. 4 HGB).
Einzelunternehmen sind dann zur Bilanzierung verpflichtet, wenn sie in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren einen Umsatz von mehr als 600.000 € und einen Jahresüberschuss von mehr als 60.000 € erwirtschaftet haben (§ 241a Satz 1 HGB).
Personengesellschaften, wie bspw. eine OHG oder KG, müssen unabhängig von der Höhe des Umsatzes und Gewinns eine Bilanz erstellen. Hier greift der §242 HGB ohne Ausnahmen.
Kapitalgesellschaften, wie eine GmbH oder eine AG, sind nach §242 HGB ebenfalls bilanzierungspflichtig. Anders als Personengesellschaften müssen Kapitalgesellschaften ihren Abschluss außerdem im Bundesanzeiger veröffentlichen.
2. Welche Unternehmensbilanzen gibt es?
- Schluss- und Eröffnungsbilanz: Eine Eröffnungsbilanz wird bei der Unternehmensgründung und bei Beginn eines jeden Geschäftsjahres erstellt. Das Gegenstück stellt die Schlussbilanz dar. Diese wird am Ende des Geschäftsjahres erstellt und ist die Grundlage für die Eröffnungsbilanz des kommenden Geschäftsjahres.
- Laufende Bilanzen: Als laufende Bilanzen werden in erster Linie die Bilanzen zum Ende eines Geschäftsjahres bezeichnet. Darüber hinaus gibt es bei börsennotierten Gesellschaften aber auch noch Zwischenbilanzen, die einzelne Quartale abschließen.
- Handels- und Steuerbilanzen: Sprechen wir von der Erstellung und Analyse einer Bilanz, ist hiermit die Handelsbilanz eines Unternehmens gemeint. Die Handelsbilanz bildet zunächst die Grundlage für die Steuerbilanz. Bei der Steuerbilanz werden allerdings diverse Steuergesetze berücksichtigt und letztlich der steuerpflichtige Gewinn ermittelt. Dieser muss nicht zwangsläufig mit dem Gewinn der Handelsbilanz übereinstimmen.
- Sonderbilanzen: Eine Sonderbilanz stellt eine außerordentliche Bilanz dar, die zu bestimmten Zeitpunkten gesetzlich vorgeschrieben ist. Hierbei handelt es sich beispielsweise um eine Gründungsbilanz oder auch eine Liquidationsbilanz.
- Einzel- und Konzernbilanzen: Eine Einzelbilanz wird von einem einzelnen Unternehmen erstellt. Mehrere Unternehmen können aber auch in einem Konzern miteinander verbunden sein. Im Rahmen der Konsolidierung wird dann eine Konzernbilanz erstellt. Ein Merkmal der Konzernbilanz ist, dass gegenseitige Verpflichtungen (wie bspw. Forderungen und Schulden) zwischen den Unternehmen im Konzern eliminiert werden können.
3. Bilanz lesen: Was ist Bestandteil des Jahresabschlusses?
Die Bilanz ist nur ein Teil des Jahresabschlusses von Unternehmen. Neben der Bilanz sind auch die GuV (Gewinn- und Verlustrechnung), die Kapitalflussrechnung und der Eigenkapitalspiegel wichtige Bestandteile des Jahresabschlusses.
GuV (Gewinn- und Verlustrechnung)
Die Gewinn- und Verlustrechnung (kurz GuV) ist eine Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen eines Unternehmens innerhalb eines Geschäftsjahres.
Eine GuV startet zunächst mit den Umsatzerlösen des Unternehmens innerhalb eines Geschäftsjahres. Hiervon werden nach und nach verschiedene Kosten in Abzug gebracht. Dadurch können neben dem Jahresüberschuss auch noch weitere Gewinngrößen betrachtet werden.
Nach Abzug aller Kosten findest du am Ende der GuV den Jahresüberschuss des Unternehmens. Werden Zinsen (sowohl Zinserträge als auch Zinsaufwendungen) sowie Steuern allerdings noch nicht in Abzug gebracht, erhältst du das sogenannte EBIT (Earnings Before Interests and Taxes).
Die GuV wird auch als Zeitraumbetrachtung bezeichnet, weil sie Auskunft darüber gibt, welche Erträge und Aufwendungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums erwirtschaftet wurden. Die Bilanz hingegen gilt als Zeitpunktbetrachtung.
Kapitalflussrechnung
Die Kapitalflussrechnung (im Englischen als Cashflow Rechnung bezeichnet) gibt dir einen Überblick über den Cash Flow eines Unternehmens. Die Kapitalflussrechnung unterteilt sich in drei separate Rechnungen. Wir sprechen hier vom Cash Flow aus operativer Tätigkeit, Cash Flow aus Investitionstätigkeit und dem Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit.
Der Cashflow eines Unternehmens ist allerdings nicht gleichzusetzen mit dem Gewinn. Die Kapitalflussrechnung und damit auch der Cashflow betrachten nur Zahlungen, die im Geschäftsjahr auch tatsächlich angefallen sind.
Bilanz
Wie eingangs bereits erwähnt, gibt dir eine Bilanz Auskunft über das Vermögen (Aktiva-Seite) und das Kapital (Passiva-Seite) eines Unternehmens. Auf den detaillierten Aufbau einer Bilanz gehen wir im folgenden Kapitel genauer ein.
Wichtig für dich ist, dass du die Begriffe Bilanz und Bilanzanalyse nicht vertauschst. Die Bilanz ist die Aufstellung von Vermögen und Kapital. Eine Bilanzanalyse hingegen umfasst die Analyse des Jahresabschlusses eines Unternehmens.
Veränderung EK (Eigenkapitalspiegel)
Die Veränderung des Eigenkapitals zeigt dir, wie sich das Eigenkapital eines Unternehmens über das Geschäftsjahr verändert hat. Diese Übersicht wird auch als Eigenkapitalspiegel oder Eigenkapitalveränderungsrechnung bezeichnet.
Das Eigenkapital am Ende eines Geschäftsjahres ergibt sich, vereinfacht gesagt, aus dem Eigenkapital zu Beginn des Geschäftsjahres abzüglich Entnahmen, zuzüglich Einlagen sowie zuzüglich des erwirtschafteten Gewinns.
4. Aufbau der Bilanz: So liest du eine Bilanz
Eine Bilanz besteht aus der Aktiva-Seite und der Passiva-Seite. Die Summe beider Seiten muss zwingend identisch sein. Diese Summe wird als Bilanzsumme bezeichnet und entspricht der Summe aller Vermögenswerte (Aktiva-Seite) bzw. der Summe des gesamten Kapitals (Passiva-Seite).
Auf der Aktiva-Seite einer Bilanz findest du alle Vermögensgegenstände, die das Unternehmen besitzt. Hier wird häufig auch von der Geldmittelverwendung gesprochen, da dir die Aktiva-Seite zeigt, in welche Vermögensgegenstände das Unternehmen, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel investiert.
Die Aktiva-Seite unterteilt sich in das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen. Im Anlagevermögen finden sich Vermögenswerte, die nicht so schnell oder gar nicht zu liquidieren sind. Hierzu gehören bspw. Sachanlagen wie Maschinen für die Produktion oder auch immaterielle Vermögensgegenstände wie Patente.
Das Umlaufvermögen umfasst hingegen Vermögensgegenstände, die das Unternehmen in der Regel nur kurzfristig (für gewöhnlich weniger als ein Jahr hält) bzw. Vermögensgegenstände, die schnell zu liquidieren sind. Hierzu gehören z.B. Vorräte, Forderungen oder auch der Geldbestand des Unternehmens.
Die Passiva-Seite gibt dir einen Überblick über die Geldmittelherkunft. Grob gesagt unterteilt sich die Passiva-Seite in das Eigenkapital und Verbindlichkeiten.
Zum Eigenkapital gehören u.a. das bei der Gründung eingebrachte Kapital der Eigentümer, Kapitalrücklagen, die durch Eigenkapitalgeber zugeführt wurden, sowie die Gewinnrücklagen.
Die Verbindlichkeiten unterteilen sich in kurzfristige und langfristige Verbindlichkeiten. Kurzfristige Verbindlichkeiten bestehen bspw. gegenüber Lieferanten. Von langfristigen Verbindlichkeiten sprechen wir, wenn das Unternehmen länger laufende Kredite aufgenommen hat.
Die folgende Abbildung zeigt dir die grobe Struktur, wie eine Bilanz aufgebaut ist:
Bilanz Lesen Beispiel
Nun ist es an der Zeit, dass wir uns ein Beispiel anschauen, wie du eine Bilanz richtig lesen kannst. Wir betrachten hierfür die Bilanz von Mercedes vom Geschäftsjahr 2022.
Wenn du die Bilanz eines börsennotierten Unternehmens betrachtest, wirkt diese auf den ersten Blick unübersichtlicher als unser gerade vorgestelltes Schaubild. Das liegt daran, weil hier auch viele kleinere Posten mit aufgelistet sind. Um eine Bilanz zu interpretieren ist es wichtig, dass du vor allem ein Verständnis für das Anlagevermögen und Umlaufvermögen, sowie das Eigenkapital und langfristige und kurzfristige Verbindlichkeiten bekommst. Die Werte in der Bilanz sind in Millionen Euro angegeben.
Mithilfe der Informationen aus der Bilanz kannst du nun zum Beispiel die Eigenkapitalquote berechnen. Hierfür benötigen wir das Eigenkapital (86.540) sowie die Bilanzsumme (260.015). Setzen wir beide Werte zueinander ins Verhältnis, kommen wir für Mercedes auf eine Eigenkapitalquote von 33,3 %.
Daran siehst du auch, worauf es beim Lesen der Bilanz ankommt. Du musst nicht jeden einzelnen Posten der Bilanz im Detail analysieren. Wichtig ist dein Verständnis für die übergeordneten Posten in der Bilanz und wie du auf Basis dieser Größen Kennzahlen berechnen kannst.
5. Auswertung der Bilanz mit Kennzahlen
Absolute Größen der Bilanz helfen dir bei der Bewertung eines Unternehmens nicht wirklich weiter. Daher solltest du mithilfe der Bilanz wichtige Aktienkennzahlen ausrechnen, die dir dabei helfen, zu beurteilen, ob eine Aktie ein lohnenswertes Investment ist.
Eine der wichtigsten Kennzahlen, die sich mit den Daten aus der Bilanz berechnen lässt, ist die Eigenkapitalquote. Die Eigenkapitalquote ermittelst du, indem du das Eigenkapital des Unternehmens durch das Gesamtkapital dividierst. Das Gesamtkapital entspricht der Bilanzsumme des Unternehmens.
Eine perfekte Eigenkapitalquote gibt es allerdings nicht. Natürlich sollte die Eigenkapitalquote nicht zu niedrig sein, es lässt sich aber nicht sagen, dass eine besonders hohe Eigenkapitalquote von Vorteil ist.
Außerdem kannst du diverse Liquiditätskennzahlen berechnen. Eine häufig betrachtete Kennzahl ist die Liquidität 1. Grades. Diese kannst du berechnen, indem du die liquiden Mittel durch die kurzfristigen Verbindlichkeiten dividierst.
Du solltest dich bei der Analyse von Kennzahlen aber nicht nur auf die Größen der Bilanz beschränken. Insbesondere die Kombination mit der GuV ermöglicht es dir, Aussagen über die Profitabilität zu treffen.
Eine wichtige Kennzahl, die du hier betrachten solltest, ist die Eigenkapitalrendite. Diese ermittelst du, indem du den Jahresüberschuss durch das Eigenkapital dividierst. Je höher die Eigenkapitalrendite ist, desto profitabler ist das Unternehmen.
In diesem Zusammenhang bietet es sich auch an die Gesamtkapitalrentabilität zu bestimmen. Hierfür dividierst du den Jahresüberschuss zuzüglich Fremdkapitalzinsen durch das Gesamtkapital.
Um wirklich aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, empfehlen wir dir bei der Analyse von Aktienkennzahlen immer mehrere Unternehmen miteinander zu vergleichen. So weißt du, wann ein Ergebnis gut ist, und kannst aus verschiedenen Unternehmen bzw. Aktien, die besser bewerteten ausfindig machen.
6. Fazit: Bilanzen lesen und verstehen ist Teil der Aktienanalyse
Die Bilanz gibt dir Auskunft über das Vermögen und das Kapital eines Unternehmens. Auf der Aktiva-Seite stehen alle Vermögenswerte des Unternehmens, auf der Passiva-Seite siehst du, wie das Unternehmen finanziert ist.
Du weißt nun welche Funktionen eine Bilanz hat und hast einen Überblick, welche Arten von Bilanzen es gibt. Alle börsennotierten Gesellschaften sind zur Bilanzierung verpflichtet. Die Bilanz ist Teil des Jahresabschlusses von Unternehmen. Da börsennotierte Unternehmen dazu verpflichtet sind ihren Jahresabschluss zu veröffentlichen, kannst du auf Basis der Bilanz eine Aktienanalyse vornehmen.
Wir haben dir in unserem Beispiel zur Bilanz gezeigt, wie eine Bilanz aufgebaut ist. Außerdem hast du gesehen, wie du mithilfe der Bilanz wichtige Kennzahlen wie bspw. die Eigenkapitalquote berechnen kannst.
Die Bilanz ist ein wichtiger Teil der Bilanzanalyse, welche wiederum unerlässlich ist, wenn du eine Fundamentalanalyse für eine Aktie durchführen möchtest.