Evergreen CEO Iven Kurz vor einer Steinmauer

Der Evergreen Robo Advisor CEO Iven Kurz im Finanzwissen Interview

Zuletzt am 26.04.2023 aktualisiert
Erschienen am 28.08.2022
Lesezeit 7 min.

Sieh dir an, wie wir bei Finanzwissen arbeiten

Wir hatten kürzlich die Chance, ein Interview mit dem CEO des Robo Advisors Evergreen zu führen.

Im Gespräch beschreibt Iven Kurz, wie er die aktuelle wirtschaftliche Lage bewertet und wie Anleger sich auf die kommenden Monate vorbereiten können.

Viel Spaß beim Lesen!

1. Frage: Hallo Iven, stell dich und Evergreen doch einmal kurz unseren Lesern vor.

Ich bin Familienvater und Gründer von Evergreen, einem nachhaltigen Asset Manager mit digitaler Vermögensverwaltung.

Meine beruflichen Wurzeln liegen im institutionellen Asset Management, also dem Managen von Wertpapierfonds für institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen, Kirchen, Stiftungen usw. 2002 habe ich das BWL-Diplom mit Schwerpunkt Finanzanalyse an der Uni Leipzig abgeschlossen und danach die Bereiche Wertsicherung und Total Return als Direktor bei den Asset Managern Metzler und Lampe geleitet.

2. Frage: Evergreen ist kein klassischer Robo-Advisor. Welchen Ansatz verfolgt ihr für eure Kunden?

Es gibt Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede.

Auch bei uns kann man sich einfach online registrieren, identifizieren und Anlagevorschläge auf Basis seines Risikoprofils erhalten. Zudem bieten wir „guided access“ zu unseren Nachhaltigkeitsprodukten und begleiten die Menschen auf unserer Plattform ein Sparerleben lang.

Bei den eingesetzten Produkten wird ein weiterer wesentlicher Unterschied deutlich, da wir alle Fonds selbst managen. Gerade bei der nachhaltigen Geldanlage ist es wichtig, die richtigen Unternehmen für unsere Fonds aktiv auszuwählen. Wir verzichten bewusst auf den Einsatz von ETFs, da wir in den vergangenen 20 Jahren die Erfahrung gemacht haben, dass diese dem Anspruch an Nachhaltigkeit meist nicht gerecht werden.

Damit die Geldanlage für unsere Anleger:innen auch ökonomisch nachhaltig ist, sind die Produktkosten für unsere Fonds mit 0,59% p.a. nicht weit von ETF-Gebühren entfernt und liegen deutlich unter den durchschnittlichen Gebühren für aktive Fonds.

Und noch einen Vorteil bietet der Einsatz der eigenen Investmentprodukte: Auf die Erhebung von Depot-, Service- und Transaktionskosten können wir verzichten, was zu einer weiteren Ersparnis für unsere Anlegerinnen und Anleger gegenüber einem klassischen Robo-Advisor führt.

Übrigens managen wir nicht nur Fonds für unsere eigene Plattform, sondern in Form von White Label Fonds auch für andere Anbieter, z.B. die Tomorrow ‚Bank‘ in Hamburg.

3. Frage: Die aktuelle Marktlage hat euch sicherlich auch getroffen. Wie geht ihr als professioneller Fondsmanager mit den Entwicklungen am Kapitalmarkt um?

Die aktuelle Marktlage ist tatsächlich herausfordernd – die Kombination der Ereignisse ist schon sehr selten. Das betrifft insbesondere den Anleihenmarkt und die Korrelation der Anleihen-Kurse zu den Aktienkursen. In den vergangenen 12 Monaten sind die Zinsen massiv gestiegen, was zu zweistelligen Verlusten am Anleihenmarkt führte. Gleichzeitig sind die Aktienkurse stark gefallen. Wir beobachten als eine positive Korrelation zwischen beiden Asset-Klassen.

Gleichzeitig haben sich Rohstoffe stark verteuert, insbesondere Energieträger wie Öl und Gas. Nachhaltig orientierte Anleger:innen müssen hier geduldig bleiben, denn in nachhaltig ausgelegten Portfolios fehlt der Kursanstieg aus den „schmutzigen“ Branchen und die Schwankungen fallen deshalb höher aus, als bei einem breiteren Aktienindex. Außerdem litten Technologieaktien, die in nachhaltigen Portfolios häufig überproportional vertreten sind, besonders stark.

Natürlich ist all dies nur eine Momentaufnahme. Mittel- und Langfristig orientierte Anleger:innen brauchen sich hier keine Sorgen machen.

Besonders interessant sind auch die Währungsbewegungen. Der US-Dollar hat sich gegenüber dem Euro stark verteuert, aktuell haben wir sogar die Parität, also 1 Euro ist gleich ein US-Dollar. Das führt zu dem Kuriosum, das amerikanische Anleger:innen in den globalen MSCI Welt Index einen zweistelligen Verlust erlitten und europäische Anleger:innen nur einen sehr geringen Verlust wahrnehmen, da die Aktienkursverluste durch sehr starke Währungsgewinne kompensiert wurden. Aber auch das kann sich natürlich sehr schnell umkehren, weshalb wir für europäische Anleger:innen immer die währungsgesicherten Anlagevarianten empfehlen, denn wer seine Rechnungen in Euro bezahlen muss, sollte auch in Euro anlegen.

Wie geht man damit nun als professioneller Fondsmanager um? Zunächst bewegen sich die Märkte für uns in einem erwartbaren Rahmen und unsere Aufgabe ist es, unseren Anleger:innen die Situation, ihre Ursachen und ihre Auswirkungen auf die Geldanlage zu erläutern. Außerdem sehen wir uns als aktiver Manager in der Pflicht, auch Anpassungen in den Portfolios vorzunehmen, beispielsweise Risiken zu reduzieren, wenn die Schwankungen an den Märkten zunehmen. Dafür haben wir die sogenannte Sicherheitszone in den Depots eingeführt, welche die Risiken für unsere Anleger:innen visualisiert und kalkulierbarer macht.

4. Frage: Kannst du uns deine Einschätzung zu den aktuellen politischen und volkswirtschaftlichen Entwicklungen auf der Welt geben – worauf können sich Privatanleger einstellen?

Grundsätzlich geht man als Fondsmanager recht nüchtern an die Sache heran. Genaue Vorhersagen lassen sich nicht machen und man arbeitet viel mit Eintrittswahrscheinlichkeiten. Außerdem hat es sich bewährt, auch undenkbare oder weniger wahrscheinliche Ereignisse in seine Überlegungen einzubeziehen.

Wir glauben, dass es eine Renaissance der zinsorientierten Produkte geben könnte. Die Menschen haben sich an die niedrigen bzw. negativen Zinsen gewöhnt und deshalb einen Bogen um Anleihen gemacht. Das könnte sich nun ändern, wenn man mit verhältnismäßig wenig Risiko Renditen von 2, 3 oder 4% erzielen kann.

Es bleibt zu hoffen, dass die Zentralbanken die Inflation schnell in den Griff bekommen, denn das ist deren oberste Priorität. Rezessionsbekämpfung kommt erst an zweiter Stelle, wenn überhaupt. Außerdem wird es spannend zu beobachten sein, wie die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft vonstatten geht. Es wird auch notwendig sein, sich vom Narrativ des permanenten Wachstums zu verabschieden, insbesondere auch mit Blick auf den zu erwartenden globalen Bevölkerungsrückgang in einigen Jahrzehnten.

5. Frage: Welchen Tipp hast du – gerade für neue – Anleger, die noch nie derartige Turbulenzen am Kapitalmarkt erlebt haben?

Emotionen sind immer ein schlechter Ratgeber. Sowohl beim Einstieg als auch beim Verkauf der Geldanlage. Leider ist es immer noch so, dass sich Anleger:innen besonders in Boom-Phasen dazu entschließen, ihr Geld langfristig anzulegen, häufig aus Angst, etwas zu verpassen, Stichwort FOMO. Aus „langfristig“ wird dann im nächsten Bärenmarkt oftmals Panik, welche im Verkauf der Investments mit Verlust endet – bis zur nächsten Boom-Phase.

Deshalb 3 Tipps:

Tipp 1: Den richtigen Anbieter finden

Zunächst ist die Wahl des Anbieters essenziell. Damit meine ich weniger das Produkt, sondern den Finanzdienstleister oder Berater. Und hier muss guter Rat nicht teuer sein. Für nachhaltige Geldanlage sollte man sich zunächst die Frage stellen, ob es Sinn macht, ein nachhaltiges Produkt bei einem nicht nachhaltigen Anbieter zu erwerben, der nebenbei noch Geld mit allerlei „schmutzigen“ Investments verdient.

Tipp 2: Auf die Gebühren achten

Außerdem sind die Gebühren absolut essenziell für den ökonomisch nachhaltigen Anlageerfolg. Wer hier die falsche Wahl trifft, kann einen großen Teil seiner Performance einbüßen.

Tipp 3: Emotionen beim Investieren außen vor lassen

Drittens sollte man sich bei einer Entscheidung für eine Geldanlage nicht von aktuellen Trends oder Euphoriephasen leiten lassen. Besser ist es, regelmäßig zu sparen, z.B. monatlich. Und wenn es doch einmal eine größere Anlagesumme ist, dann am besten auch hier das Investment über 12 bis 18 Monate verteilt investieren.

6. Frage: Viele Anleger neigen bei schlechtem Börsenwetter dazu auszusteigen, um einen besseren Zeitpunkt zum Wiedereinstieg abzuwarten. Wie gefährlich ist diese Strategie aus deiner Sicht?

Der Wunsch ist nachvollziehbar, die Realität ist aber ernüchternd. So liegt der langfristig erzielbare Ertrag eines globalen Aktienportfolios zwar bei 6 bis 7% pro Jahr. In einigen Phasen, z.B. von 2000 bis 2014 hat man aber beispielsweise über 14 Jahre per Saldo nichts verdient. Man benötigt also enorm viel Geduld. Tatsächlich sind die meisten Anleger:innen weit vom genannten Durchschnittsertrag entfernt. Das liegt zum einen an den hohen durchschnittlichen Gebühren und zum anderen an den psychologischen Faktoren Gier und Angst, was die Menschen immer zu den falschen Zeitpunkten in die Märkte hinein und wieder hinaus treibt.

Geldanlage, gerade in Bezug auf Altersvorsorge hat etwas mit der Strukturierung des eigenen Vermögens zu tun. Hier gilt es zu entscheiden, wie hoch langfristig der Anteil an den einzelnen Asset Klassen ist, um bis zum Renteneintritt der Inflation etwas entgegenzusetzen und seinen Lebensstandard später halten zu können. Kurzfristiges Kaufen und Verkaufen von Aktien oder anderen Vermögensgegenständen hat dagegen eher etwas mit Gambling zu tun und auch hier gilt: Am Ende gewinnt immer die Bank.

7. Frage: Ist ein Blick in die Vergangenheit sinnvoll? Wie vergleichbar ist die aktuelle Krise mit vergangenen Wirtschafts- und Finanzkrisen?

Absolut. Ein Blick in die Vergangenheit kann sogar helfen, die momentanen Schwankungen einzuordnen und sich daran zu erinnern, dass Wertschwankungen zur Geldanlage dazu gehören. Das heißt aber auch, dass der Umfang der Schwankungen ähnlich ist, die Ursachen dafür aber immer wieder unterschiedlich. Und deshalb wissen wir zwar, dass die nächste Erholung und die nächste Krise mit Sicherheit kommen werden, wir wissen aber nicht wann und weshalb. Darum ist es das Beste, seinem gut strukturierten Portfolio nicht allzu viel Beachtung zu schenken und sich bis zur Rente interessanten Dingen zu widmen.


Finanzwissen.de:

Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten, Iven!
Wir wünschen dir viel Erfolg mit Evergreen und gutes Gelingen über die kommenden Monate!

Christian Musanke
Christian Musanke
Gründer
Über den Autor
Nach meinem Studium der Mathematikdidaktik konnte ich mein erstes Start-up zu einem erfolgreichen Exit führen und sammelte später Erfahrung in einem Investmentfonds für Kryptowährungen. Als einer der Gründer von Finanzwissen.de habe ich es mir zum Ziel gesetzt, jungen Menschen den richtigen Umgang mit ihren Finanzen und solides Investieren näherzubringen.

Kommentare zum Artikel
Kommentar verfassen
Mit dem Absenden des Kommentars akzeptierst du unsere Datenschutzrichtlinien.